Deutschland verliert Marktanteile
Deutschland verliert Marktanteile – Von Exportweltmeister zu Nischenchampion
Jahrzehntelang war Deutschland ein Synonym für Exportsiege: Autos aus Stuttgart, Maschinen aus Bayern, Chemie aus dem Rheinland.
„Made in Germany“ galt als weltweites Qualitätssiegel – und als Garant für enorme Marktanteile. Doch neue Zahlen zeigen: Der Vorsprung schmilzt.
Vom breiten Exportstar zur Nischenrolle
Nach einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist die Zahl der Produktgruppen, in denen Deutschland weltweit Spitzenreiter ist, in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen.
2023 lag der deutsche Anteil am globalen Exportvolumen nur noch in rund 180 von 5.300 untersuchten Warengruppen bei mindestens 30 Prozent. Im Jahr 2010 waren es noch 240 Warengruppen – ein Rückgang um rund 25 Prozent.
„Wir sehen einen klaren Trend: Deutschland ist nicht mehr in der Breite führend, sondern konzentriert sich auf wenige, oft spezialisierte Nischen“, sagt IW-Handelsexperte Jürgen Matthes.
Neue Spitzenreiter: Mikroskope statt Mittelklassewagen
Während klassische Zugpferde wie der Automobilsektor, der Maschinenbau und die chemische Industrie weiter wichtig bleiben, verschieben sich die Schwerpunkte.
Zu den Produktgruppen, in denen Deutschland heute noch besonders stark ist, zählen Schmerzmittel, Dünger, chemische Halbstoffe und optische Mikroskope.
Das klingt unspektakulär – ist aber hochprofitabel. In vielen dieser Märkte werden komplexe und hochspezialisierte Produkte gehandelt, die nur wenige Wettbewerber in dieser Qualität herstellen können.
Globale Konkurrenz schläft nicht
Der Rückgang der Marktanteile hat mehrere Ursachen:
- Aufholjagd anderer Länder: Staaten wie China, Südkorea und Indien haben ihre Industriepolitik gezielt auf Exportmärkte ausgerichtet.
- Technologischer Strukturwandel: Neue Schlüsselindustrien, etwa in der Elektromobilität oder im Halbleiterbereich, werden zunehmend außerhalb Deutschlands dominiert.
- Kostenfaktor Deutschland: Hohe Energiepreise, steigende Lohnkosten und eine komplexe Bürokratie bremsen die Wettbewerbsfähigkeit.
„Während andere Länder massiv in Zukunftstechnologien investieren, verliert Deutschland in klassischen Branchen Marktanteile und gewinnt zu wenig in neuen Feldern hinzu“, so Matthes.
Exportweltmeistertitel schon lange verloren
Deutschland hielt von 2003 bis 2008 den Titel des „Exportweltmeisters“. Seitdem wechselte die Spitzenposition zwischen China und den USA. In absoluten Zahlen wächst der deutsche Export zwar weiter, aber der Anteil am weltweiten Kuchen schrumpft – ein Zeichen dafür, dass andere Länder schneller zulegen.
Nischenmärkte als Rettungsanker
Experten sehen die verbleibenden 180 Warengruppen als strategische Anker für die deutsche Exportwirtschaft. „Hier liegt eine enorme Chance“, meint Matthes. „Wer in hochspezialisierten Märkten dominiert, kann sich trotz hoher Kosten behaupten.“
Beispiele sind Präzisionsmedizin, Spezialmaschinen für die Halbleiterproduktion oder High-Tech-Labortechnik.
Der Ausblick: Innovation oder Abstieg
Um wieder mehr Marktanteile zu gewinnen, fordern Wirtschaftsverbände gezielte Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur. Auch müsse der Zugang zu Rohstoffen und Energie gesichert werden.
Ob Deutschland sich erneut zu einem breit aufgestellten Exportgiganten entwickelt oder künftig als Nischen-Champion gilt, wird von der Geschwindigkeit der Transformation abhängen.

