Entwicklung der Steuern in Deutschland seit 1870
Historische Entwicklung der Steuerpolitik in Deutschland (seit 1870)
Deutschland hat seit der Reichsgründung 1871 einen tiefgreifenden Wandel seines Steuersystems erlebt.
Steuerpolitik war stets eng mit den politischen Zäsuren – Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Zeit, Nachkriegszeit (inklusive der Teilung) und Bundesrepublik bis heute – sowie mit wirtschaftlichen Entwicklungen verbunden.
Im Folgenden werden die wichtigsten Etappen und Reformen seit 1870 dargestellt, die Steuerbelastung von Bürgern und Unternehmen in den jeweiligen Epochen verglichen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuerpolitik beleuchtet.
Dabei wird auch gefragt, wie Steuern den finanziellen Spielraum der Bürger beeinflussten, etwa indem sie Konsum und private Investitionen bremsten oder förderten.
Kaiserreich (1871–1918): Aufbau eines modernen Steuersystems
Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schuf Kanzler Otto von Bismarck eine neue Finanzverfassung. Gemäß Artikel 38 der Reichsverfassung erhielt das Reich vor allem Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchsteuern; auf direkte Steuern (wie Einkommenssteuern) durfte das Reich zunächst nicht zugreifen. Dies führte dazu, dass das Reich bei finanziellen Engpässen von den Bundesstaaten sogenannte Matrikularbeiträge fordern musste – so bezeichnete Bismarck das Reich spöttisch als „Kostgänger der Einzelstaaten“. Die direkten Steuern blieben in Zuständigkeit der deutschen Einzelstaaten (Preußen, Bayern, etc.), die im 19. Jahrhundert eigene effiziente Steuerverwaltungen aufbauten.
Durchbruch der Einkommensteuer auf Länderebene: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten sich in den meisten Staaten moderne Einkommensteuern durch. Ein Wendepunkt waren die Miquel’schen Steuerreformen 1891/93 in Preußen, initiiert von Johannes von Miquel. Diese führten ein revolutionäres Steuersystem mit Einkommensteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer ein, das in Grundzügen bis heute fortwirkt. Erstmals galt ein progressiver Einkommenssteuertarif: in Preußen stieg der Satz von 0,62 % (für geringe Einkommen um 900 Mark) bis auf 4 % bei Jahreseinkommen über 10.000 Mark. Neben der progressiven Einkommensteuer wurden die laufende Vermögenssteuer sowie eine originäre kommunale Gewerbesteuer eingeführt. 1906 kam außerdem die Erbschaftsteuer hinzu.
Steuerbelastung im Kaiserreich: Die Steuerquote (Steueraufkommen in % des BIP) war im Kaiserreich vergleichsweise niedrig. In den Jahren vor 1914 lag die gesamtwirtschaftliche Steuerquote bei etwa 8 % des BIP, zuzüglich ca. 2 % aus Sozialversicherungsbeiträgen (Bismarcks neuer Sozialversicherungen). Bürger und Unternehmen wurden vor allem indirekt belastet – durch Zölle und Verbrauchsteuern (z. B. auf Salz, Bier, Branntwein), die einen Großteil der Reichseinnahmen stellten. Direkte Steuern wie Einkommen- und Vermögenssteuern griffen zwar allmählich um sich, doch waren die Steuersätze moderat (Preußen: Spitzensteuersatz 4 %). Für die Bevölkerung bedeutete dies, dass der Großteil der Steuerlast indirekt beim Konsum anfiel (höhere Preise auf Grundnahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs), während Einkünfte und Unternehmensgewinne im internationalen Vergleich gering besteuert wurden. Dies förderte zwar Kapitalbildung und Industrialisierung, belastete aber tendenziell den Massenkonsum durch hohe indirekte Abgaben.
Erster Weltkrieg: Die Finanzierung des Ersten Weltkriegs (1914–1918) stellte die bis dahin begrenzte Steuerbasis vor extreme Herausforderungen. Zunächst versuchte das Reich, den Krieg vor allem durch Schulden und Anleihen zu finanzieren; doch ab 1916 griff man auch zu neuen Steuern: Es wurde ein Warenumsatzstempel (eine Art allgemeine Umsatzsteuer auf Warenlieferungen) eingeführt. 1918 folgte das Umsatzsteuergesetz, das eine Allphasen-Bruttoumsatzsteuer etablierte – eine Umsatzsteuer auf jeder Produktions- und Handelsstufe (kaskadierend), deren Erlöse allein dem Reich zuflossen. Diese erste Umsatzsteuer Deutschlands – ein Vorläufer der Mehrwertsteuer – lag bei wenigen Prozent, lieferte aber in der Kriegswirtschaft dringend benötigte Einnahmen. Insgesamt stieg die Steuerlast im Krieg stark an, was zusammen mit Lebensmittelknappheit den privaten Konsum drastisch einschränkte. Dennoch reichten die Steuern nicht aus; es kam zu einer enormen Staatsverschuldung und – infolge der Kriegsfinanzierung durch die Notenpresse – zur Inflation.
Weimarer Republik (1919–1933): Erzbergers Reformen und wachsende Steuerlast
Die Niederlage im Ersten Weltkrieg und die Novemberrevolution 1918 führten nicht nur politisch, sondern auch finanzpolitisch zu einem Neuanfang. Die Weimarer Republik übernahm ein zerrüttetes Finanzwesen: Hyperinflation und Staatsschulden entwerteten viele Abgaben de facto. In dieser Lage initiierte Finanzminister Matthias Erzberger 1919/20 eine umfassende Steuer- und Finanzreform, die als „Geburtsstunde des modernen Steuerstaats“ gilt. Erzbergersche Steuerreform 1919/1920: Diese Reform vereinheitlichte die bis dahin parallelen Steuersysteme der Länder und zentralisierte das Steuerwesen beim Reich. Es entstand eine einheitliche Reichsfinanzverwaltung mit Finanzämtern in dreistufiger Hierarchie (Reich – Länder – Kommunen), wodurch der Staat nun effizient auf Einkommen und Vermögen der Bürger zugreifen konnte.
Wesentliche inhaltliche Punkte der Erzberger-Reformen waren:
-
Deutliche Erhöhung der direkten Steuern: Der Einkommensteuertarif wurde stark progressiv ausgestaltet; der Spitzensteuersatz stieg auf 60 % – ein dramatischer Anstieg gegenüber dem Kaiserreich (dort ~8 % Spitzensteuersatz). Damit wurde die Einkommensteuer zur bedeutendsten Einnahmequelle des Reiches. Gleichzeitig wurde – als Erzbergers „Erfindung“ – eine Körperschaftsteuer für Unternehmensgewinne eingeführt. Unternehmensgewinne unterlagen nun einer separaten Steuer, was vorher in dieser Form nicht existierte.
-
Einheitliche Steuergesetze: Die zuvor unterschiedlichen Einkommen- und Vermögensteuergesetze der Länder wurden vereinheitlicht. Finanzföderalismus (Vielfalt der Ländersteuern) wurde durch einen weitgehend unitarischen Finanzstaat ersetzt. Fortan wurden die meisten Steuern vom Reich erhoben und das Aufkommen zwischen Reich und Ländern aufgeteilt. Die Länder verloren weitgehend eigene Steuerautonomie, erhielten aber einen Anteil am Reichssteueraufkommen (eine frühe Form des Finanzausgleichs).
-
Einmalige Vermögensabgaben: Um die Kriegsfolgelasten zu bewältigen, verfügte Erzberger 1919 zwei außerordentliche Abgaben auf Vermögen: eine Kriegsgewinnabgabe auf während des Krieges erzielte Übergewinne sowie eine Abgabe auf Vermögenszuwachs. Diese sollten Besserverdienende und Kriegsprofiteure zur Kasse bitten und dienten zugleich der Umverteilung.
-
Ausbau indirekter Steuern: Die 1918 eingeführte Umsatzsteuer (Allphasen-Bruttoumsatzsteuer) wurde beibehalten und zu einer der ertragreichsten Einnahmenquellen (nach der Einkommensteuer) ausgebaut. Damit hatte Deutschland nun zwei tragende Säulen im Steuersystem: die Einkommensteuer und die allgemeine Umsatzsteuer.
Steuerbelastung und wirtschaftliche Auswirkungen: Durch diese Maßnahmen verdoppelte sich die gesamtwirtschaftliche Abgabenbelastung bis 1925 nahezu. Vor dem Ersten Weltkrieg lag die Steuerquote bei ~8 % des BIP; Mitte der 1920er erreichte sie ~16 % (zzgl. Sozialabgaben). Damit markiert Erzbergers Reform den Durchbruch zum modernen Steuer- und Wohlfahrtsstaat in Deutschland. Die deutlich gestiegene Steuerlast – insbesondere für Gutverdiener und Unternehmen – sollte helfen, die Kriegsschulden und Reparationszahlungen zu bewältigen. Allerdings waren die wirtschaftlichen Folgen ambivalent: Einerseits stabilisierte das höhere Steueraufkommen die Staatsfinanzen nach der Hyperinflation von 1923; andererseits bedeuteten 60 % Spitzensteuer und neue Unternehmenssteuern auch eine erhebliche Belastung für Investitionsanreize und Konsumfreude der Wohlhabenden.
Während der kurzen Boomphase 1924–1929 (nach der Währungsstabilisierung) war Deutschland dennoch attraktiv für Investitionen – teils dank ausländischer Kredite – doch die hohe Steuerprogression blieb umstritten. Zum Vergleich: Im Kaiserreich lag der höchste Einkommensteuersatz bei nur 4–5 %, nun bei 60 %. Der einfache Bürger zahlte allerdings oft kaum direkte Steuern, da Grundfreibeträge existierten; die breite Masse spürte die Steuerlast eher über indirekte Steuern (Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern auf z.B. Zucker, Tabak etc.), welche nach dem Krieg ebenfalls ausgeweitet wurden. So stieg die Verbrauchsteuerbelastung deutlich an: Bis 1925 erhöhte sich z.B. der Anteil der Verbrauch- und Vermögensteuern auf über 18 % des BIP, während Sozialbeiträge ~6 % ausmachten. Dies zeigt den Ausbau des Wohlfahrtsstaats (Sozialversicherung) und die vermehrte Heranziehung von Konsum und Vermögen zur Finanzierung des Staates.
Weltwirtschaftskrise und Übergang zur NS-Zeit: In den frühen 1930er Jahren litt die Weimarer Republik unter der Weltwirtschaftskrise. Die Steuereinnahmen brachen ein, und Reichskanzler Brüning verfolgte einen strikten Sparkurs. Mangels parlamentarischer Mehrheiten regierte er per Notverordnung und erhöhte mehrfach Steuern, um den Haushalt auszugleichen – so wurde z.B. 1931 die Einkommensteuer durch einen „Krisenaufschlag“ erhöht und Verbrauchsteuern stiegen an. Diese Austeritätspolitik verschärfte kurzfristig die Rezession (da den Bürgern noch mehr Kaufkraft entzogen wurde), sollte aber die Kreditwürdigkeit des Staates sichern. Die Steuer- und Abgabenquote blieb dennoch hoch – Schätzungen zufolge stieg die gesamtwirtschaftliche Steuerquote Anfang der 30er zeitweise auf über 25 % des BIP, obwohl das BIP sank. Faktisch erzielten die öffentlichen Haushalte trotz Depression große Überschüsse (durch die Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen). Die soziale und politische Unzufriedenheit mit dieser Belastung ebnete indirekt den Radikalen den Weg.
Nationalsozialismus (1933–1945): Steuersystem im Dienst der Diktatur und Kriegsfinanzierung
Die Nationalsozialisten übernahmen 1933 im Wesentlichen das Steuer- und Finanzsystem der Weimarer Republik, passten es jedoch ihren ideologischen und kriegswirtschaftlichen Zielen an. Grundlegende Änderungen des Steuersystems blieben zunächst aus; vielmehr nutzte das NS-Regime Steuern als Instrument zur Wirtschaftspolitik und später zur Verfolgung. Finanzpolitisch wandte man sich sofort von Brünings Austerität ab: Die Nazis starteten Arbeitsbeschaffungsprogramme, Investitionen (z.B. Autobahnen) und Rüstungsprojekte, finanziert durch Steuererleichterungen (etwa Investitionsprämien, Abschreibungsvergünstigungen) und schnell steigende Staatsverschuldung. In den anfänglichen Jahren wurden Steuersenkungen und -befreiungen gezielt eingesetzt, um Konsum und Beschäftigung zu beleben. Beispielsweise gab es Steuervergünstigungen für verheiratete Paare (Heiratsdarlehen) und Familien, Unterstützung für die Autoindustrie (Kdf-Wagen-Vorläufer) und Erleichterungen für Landwirtschaft und Mittelstand. Diese Politik trug dazu bei, dass bis 1936 die Wirtschaft stark anzog und die Arbeitslosigkeit sank – allerdings um den Preis wachsender Defizite.
Ab Mitte der 1930er schlug die Finanzpolitik dann um: Angesichts der massiven Aufrüstung wurde eine breitere Finanzierung nötig. Steuererhöhungen wurden „unumgänglich“: „Mit steigendem Inflationsdruck wurden Steuererhöhungen im Regime umstritten, aber […] betrafen vor allem Unternehmen und Spitzenverdiener“. So stieg der Spitzensatz der Einkommensteuer bis 1939 auf 50 % (von zuvor 40 % Anfang der 30er). Familien und Bauern blieben jedoch bevorzugt (Vergünstigungen für Kinder, Landwirte etc. wurden ausgeweitet). Die Körperschaftsteuer wurde bis 1936 schrittweise auf 40 % angehoben, nachdem vorher zeitweilig Steuererleichterungen für Unternehmen galten. Auch einzelne Verbrauchsteuern (z.B. Getränkesteuern) erhöhte man. Durch diese Maßnahmen kletterte die Steuerquote bis 1939 auf knapp 25 % des BIP, ein Wert, der selbst heutige Niveaus übertraf. Hinweis: Diese Steuerquote nach NS-Definition berücksichtigt nur Steuern; die Gesamtbelastung inkl. Sozialabgaben lag noch höher. Schon vor Kriegsbeginn war das NS-Regime also finanziell äußerst fordernd gegenüber der Wirtschaft.
Gleichzeitig missbrauchte das NS-Regime das Steuersystem für ideologische Zwecke. Jüdische Deutsche und Regimegegner wurden über Steuern und Zwangsabgaben gezielt ausgeplündert: Bekanntestes Beispiel ist die „Judenvermögensabgabe“ von 1938 – eine zwangsweise 20 % Steuer auf das Vermögen jüdischer Bürger nach der Novemberpogromnacht, deklariert zynisch als „Sühneleistung“. Bereits seit 1931 gab es die Reichsfluchtsteuer, die unter den Nazis rigoros erhoben wurde: Emigranten mussten 25 % ihres Vermögens als Steuer zahlen, um das Reich beim Verlassen zu „entschädigen“. Auch beschlagnahmte der Fiskus Eigentum deportierter Juden – die Finanzämter waren in die Verwertung dieses geraubten Vermögens eingebunden. Diese Plünderungen trugen nicht unerheblich zur Staatsfinanzierung bei: Schätzungen beziffern den Anteil sogenannter „Arisierungsgewinne“ (enteignetes jüdisches Vermögen) im Haushalt 1938/39 auf mindestens 9 % der Reichseinnahmen.
Reformen und Verwaltung: 1934 wurde unter Finanzstaatssekretär Fritz Reinhardt eine Steuerreform durchgeführt, die das Steuerrecht ideologisch ausrichtete. Sie stärkte die Position der Steuerbehörden gegenüber den Bürgern erheblich (Motto: „in dubio pro fisco“ – im Zweifel zugunsten des Fiskus). Steuerhinterziehung wurde härter verfolgt; die Steuerverwaltung wurde ausgebaut und zentralisiert. Allerdings blieb die Grundstruktur der Steuergesetze (EStG, KStG etc.) die von Weimar – man änderte eher Tarife und bewertete etwaige Ausnahmetatbestände neu, anstatt neue Steuerarten einzuführen. Technisch gesehen verbesserten die Nazis das übernommene Steuersystem sogar in mancher Hinsicht („vier wesentliche Elemente der NS-Steuerpolitik“ laut Reimer Voß: technische Weiterentwicklung bei im Kern beibehaltener Weimarer Systematik, etc.), doch diente dies nur dazu, den Zugriff des Staates zu maximieren.
Zweiter Weltkrieg: Mit Kriegsbeginn 1939 wurde die Finanzpolitik endgültig auf totale Kriegswirtschaft umgestellt. Steuern wurden weiter erhöht (ESt-Spitzensatz stieg während des Krieges noch über 50 %, auch die KSt stieg). Die Bevölkerung wurde zugleich durch Preis- und Lohnstopp sowie Rationierung diszipliniert; dadurch waren Steuerhöhungen weniger auffällig, da es ohnehin wenig Konsumgüter zu kaufen gab. Dennoch stieg die Belastung der Bürger enorm: Die Kombination aus hohen Steuern und kriegsbedingter Güterknappheit beschränkte den privaten Konsum auf das Allernötigste. Unternehmen wurden vollständig in die Kriegsproduktion eingebunden – Gewinne unterlagen hohen Steuern, doch vielfach wurden Gewinne zwangsweise in Rüstung investiert statt ausgeschüttet. Staatsverschuldung und versteckte Finanzierung (z.B. über sogenannte Mefo-Wechsel) spielten allerdings eine größere Rolle als Steuern, um den Krieg zu finanzieren. Bis 1945 hatte das NS-Regime ein hochzentrales Steuergefüge etabliert, das enorme Einnahmen erzielte, aber auch durch Raub und Zwang charakterisiert war. Mit der Niederlage 1945 brach dieses System zusammen.
Zusammenfassend war die NS-Zeit fiskalisch geprägt von zunächst wirtschaftsfördernder Steuerpolitik (1933–36), gefolgt von drastischer Erhöhung der Steuerlast zur Kriegsfinanzierung (1937–45) und dem Missbrauch des Steuerrechts für rassistische Verfolgung. Konsum und private Investitionen wurden letztlich stark reglementiert: ab Ende der 30er war privater Konsum kaum mehr durch Einkommen limitiert, sondern durch Rationierungen, während private Investitionen nahezu vollständig den staatlichen Vorgaben (Rüstung) unterworfen wurden. Die Steuerpolitik diente nicht dem Wohlstand der Bürger, sondern der Vorbereitung und Führung des Krieges.
Nachkriegszeit und geteiltes Deutschland (1945–1949)
Nach dem Krieg lag das deutsche Steuerwesen brach: Die einheitliche Reichsfinanzverwaltung hörte 1945 auf zu existieren. Die Alliierten besetzten Deutschland und führten zunächst das Besteuerungssystem in ihren Zonen weitgehend unverändert fort – jedoch mit einigen entscheidenden Änderungen. Der Alliierte Kontrollrat erließ 1946 Steuergesetze, die eine „sehr straffe und hohe Besteuerung“ der westdeutschen Bevölkerung vorsahen. So wurde etwa der Einkommensteuer-Spitzensatz im Februar 1946 massiv angehoben – auf 95 %! Diese extreme Belastung sollte inflationäre Nachfrage dämpfen und Mittel für den Wiederaufbau schaffen. Auch bei der Körperschaftsteuer galten exorbitante Sätze von 65 % und mehr unmittelbar nach Kriegsende. Die westlichen Alliierten hatten jedoch kein Interesse, einen starken zentralen Steuerstaat entstehen zu lassen: Sie lehnten eine einheitliche Steuerverwaltung zunächst ab, um die fiskalische Macht zu dezentralisieren. Daher wurden in den Besatzungszonen zunächst länderspezifische Finanzverwaltungen wiederbelebt. Viele deutsche Finanzbeamte aus der Reichszeit blieben im Dienst und setzten die Steuererhebung fort (nun unter alliierter Aufsicht).
In der SBZ/DDR vollzog sich gleichzeitig eine völlig andere Entwicklung. Die sowjetische Besatzungsmacht und später die DDR orientierten sich nicht an der deutschen Steuergeschichte, sondern bauten ein sozialistisches Finanzsystem auf. Die DDR knüpfte nicht an alte Traditionen an: Große Teile der Wirtschaft wurden verstaatlicht, zentrale Planvorgaben bestimmten Produktion und Preise. Haupteinnahmequelle des DDR-Haushalts waren die Abgaben der Volkseigenen Betriebe (VEB) – faktisch Gewinntransfers staatlicher Unternehmen. Steuern von Privatpersonen oder privaten Firmen spielten kaum eine Rolle, zumal es nach 1952 in der DDR keine klassischen Finanzämter mehr gab. Direktsteuern wie eine allgemeine Einkommensteuer wurden abgeschafft oder auf symbolische Maße reduziert. Stattdessen erfolgte eine indirekte Besteuerung der Bevölkerung durch planwirtschaftlich festgelegte Preise: In vielen Konsumgüterpreisen war ein hoher Steueranteil (insbesondere durch die Umsatzsteuer der DDR, die mit stark variierenden Sätzen im Hintergrund wirkte). So hatte die DDR formal ein kompliziertes, nach sozialistischen Prinzipien abgestuftes Steuersystem (fünf Steuergruppen für verschiedene Bevölkerungs- und Unternehmensgruppen), das aber für den normalen Arbeitnehmer kaum spürbar war – sein Nettoeinkommen war gering, dafür waren manche Güter subventioniert, andere (Luxuswaren) über hohe indirekte Steuern sehr teuer. Insgesamt lässt sich sagen, dass in der DDR Steuern kein Mittel zur Umverteilung zwischen Bürger und Staat nach Leistungsfähigkeit waren (dieses bürgerliche Prinzip wurde ausdrücklich abgelehnt). Vielmehr finanzierte sich der Staat direkt aus der Volkseigentumswirtschaft. Für die Bürger der DDR bedeutete dies einerseits eine geringere individuelle Steuerbelastung (kein direkter Lohnsteuerabzug nach 1952), andererseits aber auch weniger privates Einkommen und eingeschränkte Konsummöglichkeiten aufgrund des staatlichen Preis- und Lohnsystems.
Westdeutschland (Trizone/Bizone) 1945–49: In den westlichen Besatzungszonen blieb also zunächst die übernommene NS-Steuerstruktur mit hohen Sätzen in Kraft, nur ideologisch motivierte Elemente (wie die Judenabgabe) entfielen. Die Währungsreform von 1948 (Einführung der D-Mark) war der Wendepunkt: Sie entwertete Geldvermögen (und damit Schulden) drastisch, säuberte aber auch das Steuerwesen. Alte Steuerschulden wurden weitgehend getilgt, die Finanzämter begannen, in stabiler Währung neu zu veranlagen. Im Mai 1949 wurde das Grundgesetz erlassen, das auch eine föderale Finanzverfassung begründete. Darin wurden die finanziellen Hoheitsrechte zwischen Bund und Ländern verteilt. Wichtig war die Unterscheidung von Gemeinschaftsteuern (z.B. Einkommen- und Umsatzsteuer sollten gemeinsam von Bund und Ländern beansprucht werden) und getrennten Steuern. Es entstanden getrennte Finanzverwaltungen von Bund und Ländern – d.h., es gibt seither Bundesfinanzbehörden (z.B. Bundeszollverwaltung, Bundeszentralamt für Steuern) und Landesfinanzbehörden (die Finanzämter werden von den Ländern betrieben). Diese föderale Finanzarchitektur prägt die Bundesrepublik bis heute.
Noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde in Westdeutschland eine große einmalige Vermögensabgabe beschlossen: das Lastenausgleichsgesetz 1952. Es zwang Bürger mit erheblichen Vermögenswerten zu einer über 30 Jahre gestreckten Abgabe, um die Kriegsgeschädigten, Heimatvertriebenen und sonstig durch den Krieg beeinträchtigten Personen finanziell zu entschädigen. Das Lastenausgleichslevy erreichte Anfang der 50er ein Aufkommen von über 1 % des BIP pro Jahr – eine erhebliche Zusatzbelastung besonders für Immobilien- und Geldvermögensbesitzer. Zusammen mit der wieder eingeführten regulären Vermögensteuer (die in Westdeutschland seit 1952 kontinuierlich erhoben wurde) führte dies in den 1950er Jahren zu einem bemerkenswert hohen Anteil der Vermögensbesteuerung am Gesamtaufkommen. So machten Vermögensteuern (laufende Vermögensteuer plus Lastenausgleich) Mitte der 50er teils über 1,5 % des BIP aus – ein Wert, der später nie wieder erreicht wurde. Hier zeigt sich der Umverteilungswille der jungen Bundesrepublik, die Kriegsfolgen sozial abfedern wollte.
Bundesrepublik Deutschland (1949–1990): Wirtschaftswunder, Reformen und steigende Soziallast
Die Steuerpolitik der Bundesrepublik lässt sich grob in zwei Phasen teilen: die Aufbau- und Wachstumsphase (1950er/60er Jahre), in der trotz hoher Anfangsbelastungen deutliche Steuersenkungen zur Wirtschaftsbelebung durchgeführt wurden, und die Konsolidierungs- und Reformphase (1970er/80er Jahre), in der angesichts von Ölkrisen, steigenden Staatsausgaben und globaler Konkurrenz das Steuersystem mehrfach angepasst wurde.
Wirtschaftswunder und Steuersenkungen (1950er/60er Jahre): Der erste Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (1949–1957) stand vor der Aufgabe, die Folgen von Krieg und NS-Herrschaft zu beseitigen. Seine Devise lautete, den Geldwert stabil zu halten (keine neue Inflation) und die Wirtschaft durch konsequente Steuersenkungen zu beleben. Tatsächlich waren die Steuersätze direkt nach Kriegsende extrem – wie erwähnt bis zu 95 % Einkommensteuer. Diese wurden in den frühen 1950er Jahren schrittweise gesenkt: Bereits 1950/51 halbierte man z.B. einige Tarifstufen. Ein markanter Einschnitt kam mit der Einkommensteuerreform 1958: Der Spitzensteuersatz wurde auf 53 % reduziert (galt für sehr hohe Einkommen über ~110.000 DM jährlich). Zugleich führte man das Ehegattensplitting ein, das verheirateten Paaren eine deutlich niedrigere gemeinsame Steuerlast ermöglichte. Diese Reform vereinfachte auch den Tarif (Einführung eines kontinuierlichen Formeltarifs anstelle starrer Stufensätze). Auch die Körperschaftsteuer wurde in den 50ern gesenkt: Nach Gründung der BRD lag sie zunächst noch bei 50 % (und darüber für einbehaltene Gewinne), doch ab 1955 galt ein einheitlicher KSt-Satz von 50 %, später leicht reduziert. Zudem entfiel der alliierte „Notopfer Berlin“-Zuschlag (ein 1950 eingeführter 5 % Zuschlag auf Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Finanzierung West-Berlins) im Jahr 1956 wieder.
Die Entlastungen zeigten Wirkung: Die westdeutsche Wirtschaft wuchs in den 50er und 60er Jahren rasant (jährlich oft > 5 % reales BIP-Wachstum). Die Steuerquote blieb dabei relativ konstant oder sank sogar leicht, trotz wachsender Staatsausgaben. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Steuerquote (Steuern in % des BIP) von 1960 bis 2023. Man erkennt, dass in den frühen 1960ern die Steuerquote bei ca. 23 % lag und damit trotz boomender Wirtschaft nicht höher war als in den 1950ern. Dies verdankte sich den Steuersenkungen, die das Wachstum ankurbelten („Wachstum brachte trotz niedrigerer Steuersätze sprudelnde Steuereinnahmen“). Tatsächlich verzeichnete der Staat Mitte der 60er teils Haushaltsüberschüsse, weil die Steuereinnahmen durch das starke Wirtschaftswachstum unerwartet hoch ausfielen. Für die Bürger bedeutete das Wirtschaftswunder: Steigende Löhne bei moderater Steuerlast – das verfügbare Einkommen wuchs kräftig, was einen Massenkonsum von Autos, Elektrogeräten etc. ermöglichte. Unternehmen profitierten von Investitionsanreizen (z.B. Sonderabschreibungen für Wiederaufbauinvestitionen) und einer im internationalen Vergleich wettbewerbsfähigen Besteuerung.
Abbildung 1: Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Steuerquote in Deutschland 1960–2023 (Steueraufkommen in % des BIP). Zu erkennen sind u.a. der Anstieg in den 1970ern (Ausbau des Sozialstaats), der Rückgang in den frühen 2000ern (Steuersenkungen) und das erneute Ansteigen bis 2019. (Datenquelle: BMF Monatsbericht 9/2024)
Parallel zur Einkommensteuer wurden auch indirekte Steuern reformiert: Zum 1. Januar 1968 führte Deutschland – in Koordination mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – die Mehrwertsteuer (MwSt) ein. Sie löste die alte Allphasen-Umsatzsteuer ab. Anfangs betrug der Regelsatz 10 % (ermäßigt 5 %). Noch im selben Jahr 1968 wurde der Regelsatz auf 11 % angehoben. Die MwSt war zunächst aufkommensneutral gedacht, entwickelte sich aber bald zu einer wichtigen Einnahmequelle des Bundes. 1969 folgte die Finanzreform: Durch eine Grundgesetzänderung wurden Bund, Länder und Gemeinden an bestimmten Steuern neu beteiligt. Insbesondere die Einkommensteuer und Umsatzsteuer wurden als Gemeinschaftsteuern definiert (Aufteilung des Aufkommens nach festgelegten Schlüsseln), während z.B. die Gewerbesteuer den Gemeinden vorbehalten blieb. Diese Reform regelte auch den bundesstaatlichen Finanzausgleich neu. In den 60ern expandierte zudem der Sozialstaat (Rentenreform 1957, Ausbau Gesundheitswesen etc.), was die Sozialbeiträge steigen ließ. Die Abgabenquote insgesamt (Steuern + Sozialbeiträge) stieg von ~33 % (1960) auf ~39 % (1970) des BIP – ein Indiz für den wachsenden Anteil der Sozialversicherungen. Die Steuerquote allein blieb jedoch bis 1970 um 23 % des BIP.
Ölkrisen und Reformstau (1970er Jahre): Die 1970er brachten wirtschaftliche Verwerfungen (erste Ölkrise 1973/74, zweite Ölkrise 1979) und neue finanzpolitische Herausforderungen. Anfang der 70er senkte die sozial-liberale Koalition unter Kanzler Brandt zunächst einige Steuern zur Konjunktursteuerung – so wurde z.B. 1974 der Einkommensteuer-Grundfreibetrag erhöht und der Tarif geglättet. Dennoch stieg die Steuer- und Abgabenlast insgesamt, da Löhne und Preise stark zunahmen (Stichwort kalte Progression). Viele Bürger rutschten durch Lohnerhöhungen in höhere Steuerklassen, ohne real mehr Kaufkraft zu haben. Dadurch erhöhte sich die durchschnittliche Steuerbelastung ungewollt. Die Regierung reagierte mit Tarifreformen 1975, 1978, 1981, um die kalte Progression abzubauen. Beispielsweise wurde ab 1975 der Steuertarif mit Hilfe einer Polynomial-Formel dynamischer gestaltet. Dennoch blieb der Spitzensteuersatz unverändert bei 56 % (53 % ESt + 3 % „Reichensteuer“ in den 70ern, siehe unten). Die Steuerquote stagnierte in den 70ern bei rund 22–23 % des BIP (1975: 22,8 %; 1980: 23,8 %), während die Abgabenquote durch stark steigende Sozialbeiträge auf Rekordstände kletterte (1975: 38 % des BIP, davon 14,4 % Sozialbeiträge). Besonders die Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge zogen an. Ein Effekt war, dass Arbeitnehmer trotz nomineller Lohnerhöhungen real oft kaum mehr in der Tasche hatten – ein großer Teil versickerte in Steuern und Abgaben. Dies trug zur Konsumschwäche Ende der 70er bei: Der private Verbrauch entwickelte sich verhalten, da Haushalte einen wachsenden Teil ihres Einkommens an den Fiskus abführen mussten.
Die Bundesregierung griff auch zu außerordentlichen Maßnahmen: 1970 wurde ein rückzahlbarer Konjunkturzuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhobenbgbl.de, um konjunkturpolitisch Mittel abzuschöpfen (und sie später wieder zurückzugeben). 1973/74 gab es im Zuge der Ölkrise einen befristeten „Ölpfennig“ (Aufschlag auf Mineralölsteuer) und 1975 einen weiteren Konjunkturzuschlag – diesmal als nicht-rückzahlbare Ergänzungsabgabe – um das Budget zu stützen. Solche Zuschläge erhöhten temporär die Steuerlast (z.B. +10 % auf die Lohnsteuer 1975), wurden aber nach kurzer Zeit wieder ausgesetzt. Dennoch summierten sich diese Entwicklungen zu einem Gefühl hoher Abgabenlast in der Bevölkerung.
Zum Spitzensteuersatz: Interessanterweise wurde 1975 der nominale Einkommensteuer-Spitzensatz kurzfristig von 53 % auf 56 % erhöht, um Besserverdienende stärker an der Krisenfinanzierung zu beteiligen. Diese Erhöhung wurde aber wenige Jahre später wieder zurückgenommen. (Genaugenommen handelte es sich um die Einführung der sogenannten „Reichensteuer“ in den späten 1970ern, die aber in der damaligen Form nicht dauerhaft Bestand hatte.) Summa summarum zahlten Top-Verdiener in den 70ern inkl. Solidaritätsabgabe und Zuschlägen zeitweise bis zu ~59 % Grenzsteuer auf ihren letzten Einkommensanteil – der höchste Wert in der Geschichte der BRD.
Auswirkungen auf Konsum und Investitionen: In den 70er Jahren dämpfte die hohe Abgabenbelastung den privaten Konsum spürbar. Studien zeigen, dass die Kombination aus Steuerprogression und Inflation das verfügbare Realeinkommen der privaten Haushalte stagnieren ließ, was die Konsumnachfrage schwächte. Beispielsweise fiel in den Jahren 2002–2005 (vergleichbar hohe Belastung) ein Rückgang der Beschäftigtenzahl mit besonders schwachem Konsum zusammen – ein ähnlicher Effekt wurde auch für die späten 70er konstatiert. Die Unternehmen sahen sich mit hohen Steuerabgaben und Lohnnebenkosten konfrontiert, was ihre Investitionsspielräume einengte. Ab Mitte der 70er begann die Regierung daher, mit steuerlichen Investitionsanreizen gegenzusteuern (Sonderabschreibungen für strukturschwache Regionen, Investitionszulagen in Berlin etc.). Doch die Grundbelastung blieb hoch, und zusammen mit zwei Rezessionen (1974/75 und 1981/82) führte dies zu einer Phase schwachen Wachstums.
Steuerreformen der 1980er: In den 1980ern geriet Deutschland unter Druck, seine Steuern international wettbewerbsfähiger zu machen. Die USA und Großbritannien senkten unter Reagan/Thatcher massiv Steuersätze. Die Bundesregierung Kohl führte daher 1986/1988 eine Steuerreform durch: Der Einkommensteuer-Grundtarif wurde abgesenkt, der Eingangssteuersatz sank von 22 % auf 19 %, und der Spitzensteuersatz wurde wieder einheitlich auf 53 % festgelegt (nachdem zwischenzeitlich 56 % gegolten hatten). Auch wurden zahlreiche Steuervergünstigungen abgebaut, um die Tarabsenkung gegen zu finanzieren. Ergebnis: Bis 1990 sank die gesamtwirtschaftliche Steuerquote auf etwa 21–22 % des BIP – der niedrigste Stand seit den 50ern. Grafisch (vgl. Abbildung 1) sieht man einen Knick in den 1980ern, wo die Steuerquote unter 23 % rutschte. Gleichzeitig blieb die Abgabenquote insgesamt hoch (~37–38 % des BIP) aufgrund weiterhin hoher Sozialbeiträge.
Die Unternehmensbesteuerung blieb bis Ende der 80er relativ hoch: Zwar wurde die Körperschaftsteuer 1977 reformiert (Einführung des Anrechnungsverfahrens, Splitting zwischen einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen mit 56 %/36 % Sätzen, später 50 %/36 %), aber die effektive Belastung der Unternehmensgewinne lag inkl. Gewerbesteuer oft über 60 %. Hier gab es in den 80ern nur marginale Entlastungen.
Für die Bürger ergab sich Ende der 80er dennoch eine etwas leichtere Steuerlast als ein Jahrzehnt zuvor: Der typische Arbeitnehmerhaushalt profitierte von leicht sinkenden Steuersätzen und der relativ niedrigen Inflation (somit weniger kalte Progression). Der private Konsum zog Mitte der 80er wieder an, auch dank dieser steuerlichen Entlastungen und eines allgemeinen Aufschwungs (Stichwort „bonanza“ 1988/89). Private Investitionen stiegen ebenfalls infolge verbesserter Abschreibungsbedingungen (z.B. degressive AfA) und gesunkener Unternehmenssteuern, blieben aber durch hohe Zinsen begrenzt.
Zusammenfassend endete die Ära 1949–1990 mit einem Steuersystem, das deutlich moderner und breiter aufgestellt war als 40 Jahre zuvor. Die Steuerlast hatte in den 70ern einen Höhepunkt, wurde aber bis 1990 wieder etwas gesenkt. Die Steuerquote Westdeutschlands betrug 1990 etwa 21–22 % – ähnlich wie in den 60ern. Die Bürger hatten also real etwas mehr finanzielle Entlastung verspürt, während der Staat sich verstärkt über Sozialbeiträge finanzierte.
Wiedervereinigung und globale Ära (1990–2025): Einheit, Entlastungen und neue Herausforderungen
Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 ergaben sich gravierende steuerpolitische Aufgaben. Die fünf neuen Länder (ehemalige DDR) mussten in das westdeutsche Steuersystem integriert werden. Gleichzeitig erforderte die Finanzierung der Einheit zusätzliche Mittel. Die 1990er und 2000er Jahre waren geprägt von einer Serie großer Steuerreformen und einer Anpassung an die Globalisierung.
Finanzierung der Einheit: Unmittelbar nach 1990 stiegen die Staatsausgaben (Transfers in die neuen Länder, Infrastrukturinvestitionen) sprunghaft an. Zur Gegenfinanzierung führte die Bundesregierung 1991 den Solidaritätszuschlag ein – einen Zuschlag von 7,5 % auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dieser „Soli“ war zunächst befristet (galt 1991/92). Ab 1995 wurde er dann unbefristet wiedereingeführt, erneut mit 7,5 %. Seit 1998 beträgt der Solidaritätszuschlag 5,5 % der jeweiligen Steuer und blieb bis 2020 unverändert. Daneben wurden indirekte Steuern erhöht: Die Mehrwertsteuer stieg 1993 von 14 % auf 15 % und 1998 weiter auf 16 %. Außerdem galt in den 90ern ein „Soli“ von 7,5 % auch auf die Kapitalertragsteuer und Abgaben auf Sparzinsen etc., um möglichst breite Einnahmen zu erzielen. Trotz dieser Maßnahmen wuchs die Staatsverschuldung deutlich, da man bewusst auch auf Kredit finanzierte.
Steuerreformen Mitte der 90er: Anfang der 90er blieb der Einkommensteuertarif noch auf dem Niveau der Kohl’schen Reform von 1988 (Spitzensteuersatz 53 %). Allerdings führten die Zusatzbelastungen (Soli, höhere Verbrauchsteuern) dazu, dass die Abgabenquote Gesamtdeutschlands Mitte der 90er mit ~40 % ein Allzeithoch erreichte. 1996 plante die Kohl-Regierung eine große Steuerreform (Steuersenkungsgesetz 1997), die jedoch am Bundesrat scheiterte. Erst mit dem Regierungswechsel 1998 kamen tiefgreifende Änderungen.
Steuersenkungsprogramm 1999–2005: Die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder beschloss eine umfassende Tarifreform, um die hohe Steuerlast zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln. Kernpunkte waren: drastische Senkung des Einkommensteuer-Spitzensatzes in Schritten von 53 % (1998) auf 42 % (2005), Entlastung niedriger Einkommen durch Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 % (1998) auf 15 % (2005), sowie Vereinfachungen im Tarif. Parallel wurde die Unternehmensbesteuerung radikal umgestaltet: Zum 1. Januar 2001 entfiel das bisherige System unterschiedlicher KSt-Sätze – der Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne (bisher 40 %) und für ausgeschüttete Gewinne (bisher 30 %) wurde vereinheitlicht und auf 25 % gesenkt. Das bisherige Anrechnungsverfahren (bei dem Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer der Anteilseigner angerechnet wurde) wurde abgeschafft; stattdessen führte man das Halbeinkünfteverfahren ein. Diese Reform verringerte die nominale Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften drastisch, was im internationalen Standortwettbewerb als notwendig erachtet wurde. Auch die Gewerbesteuer wurde in die Reform einbezogen (Anrechnung auf die Einkommensteuer für Personenunternehmen etc.). Im Gesamtergebnis sanken die Steuereinnahmen des Staates zunächst deutlich: Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote fiel von 23,4 % (2000) auf 20,8 % (2004) – den niedrigsten Wert seit Bestehen der Bundesrepublik. (Abbildung 1 illustriert diesen Rückgang um die Jahrtausendwende.) Für Bürger und Unternehmen bedeutete dies eine fühlbare Entlastung. Beispielsweise sparte ein Familienhaushalt mit mittlerem Einkommen durch die Tarifsenkungen mehrere tausend Mark/Euro im Jahr an Einkommensteuer. Unternehmen konnten ab 2001 einen deutlich größeren Anteil ihrer Gewinne reinvestieren, da die Kombination aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nun effektiver niedriger war (ca. 38 % Gesamtbelastung statt zuvor über 50 %).
Allerdings wurden diese Entlastungen teilweise gegenfinanziert durch höhere indirekte Steuern und den Abbau von Subventionen. So führte Rot-Grün 1999 die „Ökosteuer“ ein – eine schrittweise Erhöhung der Mineralölsteuer und Einführung einer Stromsteuer, deren Erlöse zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwendet wurden. In fünf Stufen (1999–2003) verteuerte sich z.B. Benzin um 15 Pfennig pro Liter jährlich durch diese Ökosteuer. Auch Tabak- und Versicherungssteuern wurden erhöht. Zudem wurden bis 2003 zahlreiche Steuervergünstigungen gestrichen (z.B. die Vergünstigung für Sonntags-/Feiertagszuschläge gekürzt, der Sparerfreibetrag reduziert, Abschreibungsregeln verschärft). Diese Maßnahmen sollten den Einnahmeausfall begrenzen, sorgten aber dafür, dass die konsumtiven Belastungen der Bürger stiegen, obwohl die direkten Steuern sanken. Tatsächlich nahm die Belastung des privaten Konsums durch indirekte Steuern seit etwa 2000 spürbar zu – sie lag seit 1999 über dem Schnitt der 90er Jahre. Der Staat verlagerte also einen Teil der Finanzierung vom Einkommen auf den Verbrauch.
Wirtschaftliche Effekte um 2000: Die großen Steuersenkungen traten zeitlich mit anderen Ereignissen zusammen (Platzen der Dotcom-Blase 2001, Konjunkturschwäche 2002/03). In der kurzen Frist führten sie nicht zum erhofften Boom – im Gegenteil, 2002/2003 geriet Deutschland in eine Stagnation mit steigender Arbeitslosigkeit („Standort Deutschland“-Debatte). Kritiker monierten, dass trotz niedrigeren Steuern der Konsum nicht ansprang, da parallel Löhne sanken und die Unsicherheit stieg. Studien zeigten, dass viele Haushalte die Steuerentlastung sparten statt mehr zu konsumieren. Auf längere Sicht trugen die Reformen jedoch zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit bei: Ab ca. 2006 erlebte Deutschland einen kräftigen Aufschwung, getragen von Exporten und Unternehmensinvestitionen („Reformdividende“). Die gesunkenen Gewinnsteuern dürften dabei eine Rolle gespielt haben, ebenso die Lohnzurückhaltung jener Jahre. Der private Konsum blieb allerdings bis etwa 2010 relativ schwach im langfristigen Vergleich – unter anderem, weil ein größerer Teil der Bürger-Einkommen über indirekte Steuern und Sozialabgaben abgeschöpft wurde. Erst ab Mitte der 2010er stieg der Konsum wieder dynamischer (begünstigt durch Lohnzuwächse und niedrige Inflation).
Weiterentwicklung 2005–2020: Nach 2005 gab es erneut Regierungswechsel und einige Steueranpassungen:
-
Mehrwertsteuer 2007: Die große Koalition unter Angela Merkel erhöhte zum 1. Januar 2007 den MwSt-Regelsatz von 16 % auf 19 % – die größte MwSt-Erhöhung der BRD-Geschichte. Dies geschah zur Haushaltskonsolidierung (2 Punkte) und zur Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags (1 Punkt). Die Wirkung auf den Konsum war wie erwartet: Viele Käufe wurden Ende 2006 vorgezogen, 2007 brach der Einzelhandelsumsatz zunächst ein. Doch insgesamt stiegen dadurch die indirekten Steuereinnahmen deutlich. Der ermäßigte MwSt-Satz blieb bei 7 %. Nach dieser Erhöhung war die MwSt (Umsatzsteuer) endgültig zur größten Einzelsteuer avanciert.
-
„Reichensteuer“ 2007: Ebenfalls 2007 führte die Koalition einen neuen Einkommensteuer-Spitzensteuersatz von 45 % für sehr hohe Einkommen (> 250.000 € ledig) ein – im Volksmund Reichensteuer. Dadurch stieg der Maximalsteuersatz erstmals seit 1990 wieder leicht. Mit Solidaritätszuschlag ergibt dies effektiv ~47,5 %.
-
Unternehmenssteuerreform 2008: Die Regierung senkte erneut die Körperschaftsteuer, von 25 % auf 15 % ab 2008. Zusammen mit Gewerbesteuer (die im Schnitt 14 % entspricht) kommen Kapitalgesellschaften seitdem auf ca. 30 % Gesamtbesteuerung ihrer Gewinne – ein im EU-Vergleich niedriger Satz. Finanziert wurde dies durch Gegenmaßnahmen wie breitere Bemessungsgrundlagen (z.B. Zinsabgrenzung, minimale Gewerbesteuerhinzurechnung etc.). Diese Reform sollte Deutschland als Unternehmensstandort attraktiver machen und scheint erfolgreich gewesen zu sein, da Unternehmensinvestitionen und -gewinne in den Folgejahren stiegen.
-
Kalender der Einkommensteuertarife: Ab 2010 wurde schrittweise die „kalte Progression“ gemildert, indem man den Tarif jährlich leicht an die Inflation anpasste (tarifliche Freibeträge wurden regelmäßig erhöht). So konnte vermieden werden, dass Lohnerhöhungen real durch höhere Steuersätze aufgezehrt werden.
Trotz dieser Änderungen blieb das Aufkommen auf hohem Niveau. Die Steuerquote stieg im langen Aufschwung 2010–2019 von ~21 % wieder auf über 24 %, was 2019 den höchsten Stand seit den 80ern markierte. Gründe: gute Konjunktur (mehr Steuern trotz gleicher Sätze) und das Auslaufen der Entlastungen. Die Gesamtabgabenquote (inkl. Sozialbeiträge) erreichte mit rund 41 % 2019 ebenfalls einen der höchsten Werte historisch. Gleichwohl war die subjektive Steuerbelastung in Deutschland Thema vieler Debatten – im EU-Vergleich liegt Deutschland bei Abgaben im oberen Mittelfeld, vor allem wegen der hohen Sozialbeiträge (Renten-, Krankenversicherung).
Finanzkrise 2008/09 und Eurokrise: Während der globalen Finanzkrise 2008/09 senkte Deutschland die Steuern nicht massiv, sondern setzte auf ein Konjunkturpaket aus erhöhten Staatsausgaben (z.B. Abwrackprämie). Es gab 2009/2010 kleine Steuerentlastungen (etwa die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 14 %, Anhebung des Kindergelds und Kinderfreibetrags). Ansonsten nahm der Staat bewusst neue Schulden auf, anstatt die Bürger höher zu belasten – im Gegensatz zu früher wurden keine Krisensondersteuern erhoben. Nach der Krise führte Deutschland die Schuldenbremse ein (Verfassungsregel ab 2011, die strukturell nahezu keine Neuverschuldung erlaubt). Steuerpolitisch zeigte sich hier ein Paradigmenwechsel: Anstatt im Abschwung Steuern zu erhöhen (wie noch in den 70ern), senkte oder stabilisierte man sie, um Nachfrage zu stützen. Dies half vermutlich, die Krise schnell zu überwinden; allerdings verschob es die Last in die Zukunft (Schulden).
Aktuelle Entwicklungen (2015–2025): In den späten 2010er Jahren gab es trotz sprudelnder Staatseinnahmen kaum Steuersenkungen – die Politik priorisierte ausgeglichene Haushalte („schwarze Null“). Einige Korrekturen betrafen den Soli: Seit 2021 wird der Solidaritätszuschlag für etwa 90 % der Steuerzahler nicht mehr erhoben (Freigrenze erhöht). Nur Spitzenverdiener und Kapitalgesellschaften zahlen ihn noch voll. Damit reagierte man auf Kritik, dass der Soli 30 Jahre nach der Einheit nicht mehr zeitgemäß sei.
Ein unerwarteter Einsatz der Steuerpolitik kam in der Corona-Krise 2020: Zur Stützung des Konsums wurde Juli–Dezember 2020 befristet die MwSt gesenkt (von 19 % auf 16 %, ermäßigt 7 % auf 5 %) Dies sollte einen Kaufanreiz schaffen und war in diesem Umfang beispiellos. Tatsächlich zog der Konsum im zweiten Halbjahr 2020 etwas an, und die Preise blieben stabiler. Anfang 2021 kehrten die MwSt-Sätze auf 19/7 % zurück. Diese Episode zeigt, wie Steuern auch kurzfristig als Konjunkturinstrument eingesetzt werden können, um den finanziellen Spielraum der Bürger zu beeinflussen.
Überblick zentraler Reformen: Die folgende Tabelle fasst einige der wichtigsten Steuerreformen und -änderungen seit 1870 chronologisch zusammen:
Jahr(e) | Reform/Ereignis | Wesentlicher Inhalt und Wirkung |
---|---|---|
1891/93 | Miquel’sche Steuerreform (Preußen) | Einführung moderner Einkommensteuer (mit Progression: 0,62–4 %), sowie neuer Vermögens- und Gewerbesteuer als Grundgerüst der direkten Besteuerung. Begründet bis heute gültige Prinzipien (Leistungsfähigkeitsprinzip, Gemeindefinanzierung über Gewerbesteuer). |
1916–1918 | Umsatzsteuer wird eingeführt | Kriegsbedingte Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer (Allphasen-Bruttoumsatzsteuer) auf Warenlieferungen. Erstmals wird der Massenkonsum umfassend besteuert; System bleibt bis 1968 in Kraft. |
1919/20 | Erzbergersche Reform | Vereinheitlichung von Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer im gesamten Reich; drastische Erhöhung der Steuersätze (Spitzen-ESt auf 60 %); Einführung einmaliger Vermögensabgaben. Grundstein des zentralistischen Steuerstaats, Steuerquote verdoppelt sich bis 1925. |
1934 | Reinhardt’sche Steuerreform (NS-Staat) | Straffung und Zentralisierung der Steuerverwaltung; Verschärfung der Steuerdurchsetzung („im Zweifel für den Fiskus“). Ideologische Ausrichtung: Steuerrecht wird zur Verfolgung missbraucht (Reichsfluchtsteuer, Judenabgabe etc.). |
1946 | Alliierte Steuerpolitik | Kontrollrat setzt extrem hohe Steuersätze fest (Spitzensatz 95 % Einkommensteuer) und erzwingt strikte Besteuerung in Westdeutschland. Dezentrale Finanzverwaltung in Zonen – Vorbereitung föderales System. |
1949 | Grundgesetz Finanzordnung | Einführung der Gemeinschaftsteuern (insb. ESt, USt) mit Aufteilung Bund/Länder. Getrennte Bundes- und Landesfinanzbehörden. Grundlage für Bundesrepublik-Steuersystem. |
1952 | Lastenausgleich & Vermögensteuer | Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes (einmalige Vermögensabgabe ~50 % auf Immobilien/Vermögen, gestreckt über 30 Jahre) und Wiedereinführung der laufenden Vermögensteuer (gesetzlich bis 1997 in Kraft). Belastet vorübergehend Vermögende mit bis zu 1,5 % des BIP p.a. zur Kriegsschadensbewältigung. |
1958 | ESt-Reform (BRD) | Reformtarif mit gleitender Progression; Spitzensteuersatz 53 % festgesetzt (bis 1990 gültig); Einführung des Ehegattensplittings. Große Entlastung höherer Einkommen gegenüber alliierter Nachkriegsregelung (vorher bis 95 %). |
1967/68 | Umsatzsteuerreform (BRD, EWG-Harmonisierung) | Mehrwertsteuer ersetzt die alte Umsatzsteuer. Einführung Regelsatz 10 % (ab Juli 1968: 11 %), ermäßigter Satz 5 %. Zentralisierung der Umsatzsteuer beim Bund (mit Anteil für Länder/Gemeinden). |
1969 | Finanzreform (BRD) | Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern, Gemeinden (Grundgesetzänderung). Einführung moderner Bund-Länder-Finanzausgleich; Neuverteilung der Steuerhoheit (z.B. Bundesanteil an Einkommensteuer erhöht, Länderanteil an Umsatzsteuer). |
1974–1975 | Maßnahmen gegen „kalte Progression“ | Einführung einer Formel-Tarifberechnung der ESt (Polynom vierten Grades) ab 1975, um Steuererhöhungen gleitender zu machen. Erlass eines Konjunkturzuschlags (1970, 1975) auf ESt/KStbgbl.de zur Nachfragesteuerung. Diese Maßnahmen reagierten auf hohe Inflation und Haushaltsdefizite. |
1991/1995 | Solidaritätszuschlag (Soli) | Einführung eines Zuschlags zur Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer von 7,5 % (1991/92 befristet, ab 1995 unbefristet) zur Finanzierung der deutschen Einheit. Ab 1998 auf 5,5 % gesenkt. Bis 2020 erhoben, ab 2021 für Großteil der Steuerzahler abgeschafft. |
1997–2000 | Steuersenkungsgesetz 2000 (beschl. 1999) | Umfangreiche Tarifsenkungen 2001–2005: Spitzensteuersatz schrittweise von 53 % (1998) auf 42 % (2005); Eingangssteuersatz von 25,9 % auf 15 %. Abschaffung der Vermögensteuer ab 1997 (Erhebung ausgesetzt nach BVerfG-Urteil). Körperschaftsteuerreform 2001: Einheitlicher KSt-Satz 25 % (statt 40/30 %), Abschaffung Anrechnungsverfahren. |
2007 | Mehrwertsteuer-Erhöhung (19 %) | Anhebung des MwSt-Regelsatzes auf 19 % (ermäßigt 7 % bleibt). Diente der Budgetkonsolidierung und Finanzierung von Beitragssenkungen in der Arbeitslosenversicherung. Größte MwSt-Erhöhung der Nachkriegsgeschichte, kurzfristig Konsumdämpfung, langfristig erhöhte Verbrauchsteuerquote. |
2008 | Unternehmenssteuerreform | Senkung der Körperschaftsteuer auf 15 %, Reform Gewerbesteuer (Hinzurechnung von Zinsanteilen), Einführung Abgeltungsteuer 25 % auf Kapitaleinkünfte (ab 2009). Ziel: Unternehmen entlasten und Steuerwettbewerb standhalten. |
2020 | Corona-Konjunkturpaket | Befristete MwSt-Senkung (19 → 16 %, 7 → 5 %) für 6 Monate, um Konsum in der Pandemie zu stützen. Einmalige Maßnahme; anschließend Rückkehr zu 19/7 %. Zusätzlich einmalige Boni (Kinderbonus) etc., keine dauerhaften Steueränderungen. |