Exportweltmeister Deutschland? Wie wir unseren Vorsprung verlieren – und was bleibt
Kommentar: Deutschland – vom Exportweltmeister zum Nischen-Lieferanten
Es ist ein schleichender Prozess, der lange übersehen wurde – und genau deshalb gefährlich ist. Deutschland verliert seine Marktanteile.
Nicht dramatisch auf einen Schlag, sondern stetig, Jahr für Jahr, wie Sand, der durch die Finger rieselt.
Früher waren wir Exportweltmeister. Nicht, weil wir in einer Handvoll exotischer Produktgruppen gut waren, sondern weil wir in Hunderten von Märkten dominierten: Autos, Maschinen, Chemie – deutsche Industrie war die Benchmark.
Heute? Laut IW-Studie haben wir uns von 240 auf 180 Warengruppen mit einem Weltmarktanteil über 30 % zurückgezogen.
Ein Minus von 25 % in gerade einmal 13 Jahren.
Klingt nach wenig – ist aber viel
„Schmerzmittel, Dünger, chemische Halbstoffe, optische Mikroskope“ – das sind die Beispiele, in denen Deutschland heute noch wirklich stark ist.
Nichts gegen diese Branchen, im Gegenteil: Dort steckt oft mehr Marge als in einem Mittelklassewagen.
Aber es sind Nischen. Und wer nur noch Nischen dominiert, hat ein strategisches Problem:
Nischen können schnell von anderen besetzt werden, wenn technologische oder politische Rahmenbedingungen sich ändern.
Wir verlieren den Massenmarkt
China, Südkorea, Indien – diese Länder sind nicht „im Kommen“.
Sie sind längst da. Sie erobern Marktanteile, investieren aggressiv in Zukunftstechnologien, sichern sich Rohstoffe und liefern Produkte, die „gut genug“ sind, aber deutlich günstiger.
Deutschland hingegen diskutiert über Verbote, plant langsamer als andere produzieren, und verliert Zeit – den einzigen Rohstoff, den man nicht importieren kann.
Vom Fels in der Brandung zur Sandburg
Der Titel „Exportweltmeister“ war kein Selbstzweck. Er war Ausdruck von Innovationskraft, industrieller Breite und politischer Stabilität.
Heute bewegen wir uns in einem gefährlichen Korridor: zu teuer für den Massenmarkt, zu träge für neue Leitindustrien, zu abhängig von einzelnen Spezialfeldern.
Das Ergebnis: Wir sind nicht mehr der Fels in der Brandung – sondern eine Sandburg, der die Flut langsam, aber sicher das Fundament wegspült.
Die eigentliche Frage
Es geht nicht darum, ob wir noch stark sind – das sind wir.
Die Frage ist: Wollen wir wieder in der Breite führend sein oder akzeptieren wir die Rolle des „hochpreisigen Nischenlieferanten“? Letzteres kann funktionieren – für eine Weile. Aber es ist riskant. Wer keine Breite mehr hat, hat auch weniger Resilienz.
Die Politik sollte aufhören, den Rückgang als „strukturellen Wandel“ schönzureden.
Struktureller Wandel ist nur dann gesund, wenn er in neue Stärke führt. Wenn er hingegen zur Reduktion führt, spricht man nicht von Wandel, sondern von Rückzug.
Und Rückzug war in der Wirtschaftsgeschichte selten ein Erfolgsrezept.
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