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Wegzugsbesteuerung Gefahren

Wegzugsbesteuerung in Deutschland 2025 – was Sie wissen sollten

Warum das Thema Wegzugsbesteuerung 2025 aktueller denn je ist

Die Wegzugsbesteuerung ist im Jahr 2025 für viele Personen relevanter denn je.

In Zeiten zunehmender globaler Mobilität und Remote-Arbeit überlegen sich immer mehr Unternehmer und vermögende Privatpersonen, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen – sei es aus geschäftlichen Gründen, wegen steuerlicher Vorteile oder für den Lebensstil.

Deutschland hat hohe Steuersätze und strenge Meldepflichten, sodass ein Wegzug ins Ausland (beispielsweise in Länder mit niedrigeren Steuern oder attraktiverem Umfeld für Start-ups) durchaus verlockend sein kann.

Allerdings hat der Gesetzgeber die Wegzugsbesteuerung zuletzt deutlich verschärft.

Insbesondere die Reformen bis 2022 haben die Rahmenbedingungen erheblich geändert. Wer 2025 mit dem Gedanken spielt, Deutschland den Rücken zu kehren, muss diese sogenannte „Exit Tax“ genau kennen, um böse Überraschungen zu vermeiden.

Die Wegzugsbesteuerung sorgt dafür, dass ein fiktiver Gewinn besteuert wird, sobald Sie Deutschland verlassen – selbst wenn gar kein tatsächlicher Verkauf Ihrer Vermögenswerte stattgefunden hat. Dieses Vorgehen soll verhindern, dass Steuerpflichtige durch Auswanderung unversteuerte Wertsteigerungen ins Ausland mitnehmen.

Gerade weil immer mehr Personen über Auswanderung nachdenken und weil die gesetzlichen Regeln strenger geworden sind, ist das Thema aktueller denn je.

Im Folgenden erhalten Sie einen umfassenden Überblick darüber, was die Wegzugsbesteuerung genau ist, wen sie betrifft, welche Steuern drohen, was sich durch die Reform 2022 geändert hat, welche Fallstricke lauern und welche Strategien Sie vor einem Wegzug ergreifen können, um Ihr Vermögen zu schützen.

Rechtlicher Hintergrund: § 6 AStG und Definition der Wegzugsbesteuerung

Rechtsgrundlage der Wegzugsbesteuerung ist § 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Diese Regelung – umgangssprachlich oft Wegzugsteuer genannt – ist keine eigene Steuerart, sondern ein spezieller Erhebungstatbestand im Rahmen der Einkommensteuer.

Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Verlegen Sie Ihren Wohnsitz dauerhaft ins Ausland, so behandelt der deutsche Fiskus dies so, als würden Sie bestimmte Vermögenswerte an diesem Tag verkaufen. Konkret betrifft es wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Ihrem Privatvermögen.

Eine wesentliche Beteiligung liegt vor, wenn Sie innerhalb der letzten Jahre mindestens 1 % der Anteile an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft besitzen (z.B. Anteile an einer GmbH, AG oder vergleichbaren ausländischen Gesellschaft).

Sobald Sie nun Ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen und dadurch in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sind, greift § 6 AStG: Es wird ein fiktiver Veräußerungsgewinn ermittelt und besteuert.

Der Zweck dahinter ist klar: Während Ihrer Zeit als unbeschränkt Steuerpflichtiger in Deutschland haben sich unter Umständen erhebliche stille Reserven aufgebaut – also Wertzuwächse Ihrer Unternehmensanteile, die bisher steuerlich noch nicht erfasst wurden.

Wenn Sie nun aus Deutschland wegziehen, würde der deutsche Staat sein Recht verlieren, diese Wertsteigerungen beim späteren echten Verkauf zu besteuern (insbesondere wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen die Besteuerung dann dem neuen Wohnsitzland zuweist).

Um dieses Steuersubstrat nicht entgehen zu lassen, fiktionalisiert das Gesetz einen Verkauf im Zeitpunkt Ihres Wegzugs. § 6 AStG stellt also sicher, dass Deutschland nochmals zugreift, bevor Sie mit Ihrem Unternehmensvermögen ins Ausland verschwinden.

Für Sie als Steuerpflichtigen bedeutet das allerdings: Besteuerung ohne tatsächlichen Geldzufluss. Sie müssen Steuern zahlen, obwohl Sie Ihre Anteile nicht veräußert haben und folglich keinen Verkaufserlös in der Hand halten.

Wer ist betroffen?

Die Wegzugsbesteuerung betrifft vor allem Unternehmer und Gesellschafter, aber auch bestimmte Investoren und vermögende Privatpersonen.

Im Einzelnen sind folgende Gruppen typischerweise betroffen:

  • Unternehmer mit Kapitalgesellschaften: Wenn Sie Inhaber oder Mitgesellschafter einer Kapitalgesellschaft in Deutschland sind (z.B. Geschäftsführer-Gesellschafter einer GmbH oder Aktionär einer nicht börsennotierten AG) und mehr als 1 % der Anteile halten, fällt Ihr Wegzug ins Ausland unter die Wegzugsbesteuerung. Gerade Inhaber von Familienunternehmen oder Start-up-Gründer mit relevanten Gesellschaftsanteilen sollten hier besonders aufmerksam sein.
  • Investoren mit bedeutenden Kapitalbeteiligungen: Auch Privatinvestoren oder Business Angels, die sich an Unternehmen beteiligen, können betroffen sein – jedenfalls dann, wenn sie direkt oder indirekt mindestens 1 % der Anteile halten. Das kann z.B. bei Beteiligungen an Start-ups schnell der Fall sein. Wer etwa als Frühphasen-Investor Anteile erhält, überschreitet häufig die 1 %-Schwelle.
  • Vermögende Privatpersonen mit Auswanderungsplänen: Darunter fallen beispielsweise Erben oder Familienstämme, die größere Unternehmensbeteiligungen im Privatvermögen halten. Wenn etwa Anteile an einer GmbH im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurden und der Begünstigte nun ins Ausland ziehen möchte, greift die Wegzugsbesteuerung ebenfalls. Auch vermögende Privatpersonen, die aus Lifestyle-Gründen oder im Ruhestand ins Ausland umziehen wollen, müssen prüfen, ob sie Anteile über 1 % an irgendeiner Kapitalgesellschaft besitzen – sei es direkt oder über Holdingstrukturen.
  • Start-up-Gründer und leitende Angestellte mit Beteiligungen: Gerade in der Start-up-Szene ist Internationalität üblich. Gründer, die ihr Unternehmen global ausrichten oder selbst ins Ausland wechseln, werden meist eine bedeutende Beteiligung am eigenen Unternehmen halten. Ebenso können Manager mit Management-Beteiligungen betroffen sein, wenn sie Anteile am Unternehmen besitzen und Deutschland verlassen.

Wichtig: Neben der 1 %-Beteiligungsgrenze gibt es eine weitere Voraussetzung: Sie müssen vor dem Wegzug lange genug in Deutschland steuerpflichtig gewesen sein. Nach aktueller Rechtslage (Reform 2022) gilt, dass Sie in den letzten 12 Jahren vor Ihrem Wegzug mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland gewesen sein müssen. Diese Frist wurde gegenüber früher (vormals 10 Jahre) verkürzt, was insbesondere neu Zugezogene betrifft – sie geraten nun schneller in den Anwendungsbereich. Aber faktisch erfüllen viele inländische Unternehmer diese Bedingung problemlos, da sie oft ihr Leben lang in Deutschland ansässig waren. Kurz gesagt: Der typische GmbH-Gesellschafter, der dauerhaft ins Ausland geht, wird fast immer von der Wegzugsbesteuerung erfasst.

Steuerpflicht bei Wegzug: Bewertungsstichtag, Veräußerungsfiktion, Höhe der Steuer

Wird die Wegzugsbesteuerung ausgelöst, erfolgt eine Steuerfestsetzung auf einen fiktiven Veräußerungsgewinn. Doch wie wird dieser berechnet, und wie hoch ist die Steuer? Schauen wir uns die Mechanik im Detail an:

  • Bewertungsstichtag: Maßgeblich ist der Tag Ihres Wegzugs bzw. der Tag, an dem Sie in Deutschland Ihre unbeschränkte Steuerpflicht aufgeben. In der Regel ist das der letzte Tag, an dem Sie mit Wohnsitz in Deutschland gemeldet sind. Zu diesem Stichtag wird der gemeine Wert Ihrer relevanten Unternehmensanteile ermittelt – praktisch also der geschätzte Marktwert Ihrer Anteile an diesem Tag. Bei börsennotierten Aktien ist der Kurswert maßgeblich. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften (z.B. GmbH) nimmt das Finanzamt meist eine Unternehmensbewertung vor, häufig anhand des Ertragswertverfahrens (z.B. Multiplikator des durchschnittlichen Jahresgewinns). Hier kann es im Einzelfall zu Diskussionen kommen, da eine zu hohe Bewertung Ihre Steuerlast erhöht. Sie haben aber die Möglichkeit, ein eigenes Gutachten vorzulegen, um den Wert realistischer (eventuell niedriger) anzusetzen, falls die Schätzung des Finanzamts überzogen erscheint.
  • Veräußerungsfiktion: Von dem ermittelten gemeinen Wert Ihrer Anteile werden die Anschaffungskosten oder eingezahltes Stammkapital abgezogen. Die Differenz ist der fiktive Veräußerungsgewinn. Gesetzlich wird so getan, als hätten Sie Ihre Anteile zum Wegzugszeitpunkt verkauft. Sämtliche stillen Reserven (Wertzuwächse seit Anschaffung/Gründung) werden damit aufgedeckt. Wichtig: Ein Veräußerungsverlust würde umgekehrt in der Regel nicht berücksichtigt werden – es ist also eine einseitige Betrachtung zugunsten des Fiskus. Im Ergebnis haben Sie einen steuerpflichtigen Gewinn, obwohl gar kein Verkauf stattgefunden hat und kein Geld fließt.
  • Höhe der Steuer: Der so errechnete fiktive Gewinn unterliegt der Einkommensteuer. Bei wesentlichen Beteiligungen (ab 1 %) greift das Teileinkünfteverfahren: Das bedeutet, 60 % des Gewinns sind mit Ihrem persönlichen Steuersatz zu versteuern (die restlichen 40 % bleiben steuerfrei). Liegt Ihr Einkommen im Spitzensteuersatz, werden auf diesen Gewinn bis zu 45 % Einkommensteuer fällig, zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Effektiv ergibt sich eine Steuerlast von rund 26–28 % des gesamten Wertzuwachses, je nach individuellem Steuersatz und Kirchensteuerpflicht. Diese Belastung ist in der Größenordnung vergleichbar mit der Abgeltungsteuer auf private Kapitalerträge – mit dem Unterschied, dass hier keine tatsächliche Veräußerung stattfand.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Angenommen, Sie haben vor einigen Jahren eine GmbH gegründet (Stammkapital 25.000 €). Das Unternehmen erwirtschaftet inzwischen einen Gewinn von 100.000 € pro Jahr. Das Finanzamt schätzt den Wert Ihrer Anteile anhand der Ertragslage auf etwa 1,5 Millionen €. Würden Sie nun 2025 ins Ausland wegziehen, gilt dieser Betrag als fiktiver Verkaufspreis. Abzüglich des Stammkapitals ergibt sich ein fiktiver Gewinn von ca. 1,475 Mio. €. Hiervon müssten 60 % (= 885.000 €) versteuert werden. Beim Spitzensteuersatz plus Soli sind das grob um die 250.000–300.000 € an Steuer, die allein durch den Wegzug ausgelöst werden – ohne dass Sie Geld aus dem Unternehmen erhalten. Dieses Beispiel zeigt, welche erhebliche Steuerlast entstehen kann.

  • Fälligkeit der Steuer: Grundsätzlich wird die errechnete Steuer sofort mit dem Wegzug fällig. Das bedeutet, im Steuerbescheid für das Wegzugsjahr fordert das Finanzamt die Zahlung ein. Hier liegt eine große Herausforderung: Viele Steuerpflichtige trifft diese Forderung unvorbereitet, denn sie haben ja keinen Verkaufserlös erzielt. Die Liquidität muss also anderweitig aufgebracht werden (aus Ersparnissen, Dividenden, Darlehen etc.). Um diese Härte etwas abzumildern, gibt es aber Möglichkeiten der Zahlungserleichterung – dazu gleich mehr im Abschnitt zur Reform. Wichtig an dieser Stelle: Ändert sich nachträglich der Wert Ihrer Anteile (z.B. fällt der Aktienkurs oder der Unternehmenswert sinkt), so ändert das nichts mehr an der festgesetzten Steuer. Der Wert wird zum Stichtag fixiert. Wenn Ihre Anteile später an Wert verlieren, haben Sie Pech gehabt – Sie bekommen keine Steuererstattung. Steigen sie im Wert, wird der zusätzliche Wertzuwachs später im neuen Wohnsitzland besteuert werden müssen.

Änderungen durch die Reform 2022

Zum 1. Januar 2022 ist durch das ATAD-Umsetzungsgesetz eine umfassende Reform der Wegzugsbesteuerung in Kraft getreten. Diese Reform hat die Bedingungen deutlich verschärft und einige bisherige Erleichterungen abgeschafft. Die wichtigsten Änderungen seit 2022 im Überblick:

  • Wegfall der zinslosen Stundung: Bis Ende 2021 galt für Wegzüge innerhalb der EU/EWR ein erheblicher Vorteil: Die festgesetzte Wegzugsteuer wurde auf Antrag unbegrenzt und zinslos gestundet, solange der Steuerpflichtige im neuen EU/EWR-Wohnsitzland unbeschränkt steuerpflichtig wurde. Praktisch bedeutete das, dass man die Steuer zunächst nicht zahlen musste, solange man nicht tatsächlich die Anteile verkaufte – es war also ein Aufschub auf unbestimmte Zeit ohne Zins und ohne Sicherheitsleistung. Diese Möglichkeit entfällt ab 2022 vollständig. Der Gesetzgeber unterscheidet nun nicht mehr, ob Sie in einen EU-Staat oder in ein Drittland ziehen. In allen Fällen wird die Steuer prinzipiell sofort festgesetzt und ist erst einmal fällig.
  • Eingeführte Ratenzahlung statt Stundung: Als kleinen Ausgleich gibt es nun die Option, die Steuer auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten zu zahlen. Diese Ratenzahlung ist zinsfrei, was immerhin eine finanzielle Entlastung bedeutet. Allerdings ist sie an Bedingungen geknüpft: Die Finanzbehörde verlangt in der Regel eine Sicherheitsleistung (z.B. Bankbürgschaft oder Hinterlegung von Vermögenswerten), damit der Steuerausfall abgesichert ist. Die Ratenoption streckt die Zahlung also über bis zu sieben Jahre, erfordert aber entsprechende Sicherheiten. Wichtig ist: Diese Option besteht nun unabhängig vom Zielland (EU oder nicht EU), sie ist also allgemein verfügbar, ersetzt aber die frühere unbefristete Stundung. Wer wegzieht, muss sich also darauf einstellen, spätestens über sieben Jahre verteilt die Steuerlast zu tragen – eine dauerhafte Steuerstundung gibt es nicht mehr.
  • Verkürzung der Vorbesteuerungszeit: Wie bereits erwähnt, wurde die erforderliche Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland vor Wegzug von 10 Jahren auf 7 Jahre (innerhalb der letzten 12 Jahre) verkürzt. Für gebürtige Deutsche oder langjährige Einwohner macht das kaum einen Unterschied, da diese die Bedingung ohnehin erfüllen. Für Personen jedoch, die z.B. erst vor wenigen Jahren nach Deutschland gezogen sind (Expats, ausländische Unternehmer etc.), bedeutet es, dass sie schon nach 7 Jahren Aufenthalt der Wegzugsbesteuerung unterliegen (vorher 10 Jahre). In der Praxis ist dies eine Verschärfung, weil es den Kreis der Betroffenen vergrößert: Neu-Zuzügler müssen früher mit der Exit Tax rechnen, wenn sie wieder fortziehen.
  • Änderungen bei der Rückkehrregelung: Früher gab es die sogenannte Fünf-Jahres-Regel: Kehrte ein Weggezogener innerhalb von 5 Jahren nach Deutschland zurück und behielt er in der Zwischenzeit seine Anteile, wurde die festgesetzte Wegzugsteuer rückwirkend erlassen bzw. gar nicht erhoben. Diese Rückkehroption wurde mit der Reform ausgedehnt, aber auch formalisierter: Jetzt beträgt der normale Rückkehrzeitraum 7 Jahre und kann auf Antrag um weitere 5 Jahre (auf insgesamt 12 Jahre) verlängert werden, sofern eine Rückkehrabsicht glaubhaft gemacht wird. Das heißt, wenn Sie nach Ihrem Wegzug innerhalb von sieben Jahren wieder nach Deutschland ziehen (und in der Zwischenzeit Ihre Anteile nicht verkauft haben), können Sie die Wegzugsbesteuerung rückgängig machen. Sie müssten dann keine Steuer zahlen bzw. bereits gezahlte Raten würden erstattet. Diese Regelung hilft denjenigen, die nur vorübergehend ins Ausland gehen. Allerdings wurde eine Sonderregel für EU-Fälle gestrichen – nun gilt einheitlich diese 7(–12)-Jahresfrist für alle. Insgesamt soll das zwar mehr Zeit geben, erfordert aber eine klare Dokumentation der Rückkehrabsicht, wenn man die Verlängerung auf 12 Jahre nutzen will.
  • Weitere Einschränkungen und Klarstellungen: Die Reform hat zudem klargestellt, dass nachträgliche Wertminderungen der Anteile nach dem Wegzug die Steuer nicht mehr reduzieren können (dies war zuvor teils strittig). Ebenso sind nun Investmentfonds-Anteile im Privatvermögen unter bestimmten Umständen einbezogen: Ab 2025 (durch das Jahressteuergesetz 2024) wurde beispielsweise geregelt, dass auch in bestimmten Investmentfonds eingebettete Anteile bei Wegzug versteuert werden müssen, um Steuerschlupflöcher zu schließen. Diese Detailänderung zeigt, dass der Gesetzgeber konsequent versucht, jede Umgehungsmöglichkeit auszuschalten.

In Summe bedeutet die Reform 2022: Die Wegzugsbesteuerung greift schneller und unerbittlicher. Wer glaubt, innerhalb der EU sei ein Wegzug steuerlich unproblematisch, irrt – die Zeiten der zinslosen Dauerstundung sind vorbei. Damit rückt eine vorausschauende Planung noch stärker in den Vordergrund.

Fallstricke und Risiken

Ein Wegzug mit Wegzugsbesteuerung ist mit erheblichen Fallstricken verbunden. Neben der offensichtlichen Steuerzahlung gibt es weitere Risiken, die oft unterschätzt werden. Hier die wichtigsten Problemfelder, auf die Sie achten sollten:

  • Liquiditätsengpässe durch fiktive Steuerlast: Wie gezeigt, kann die Steuer schnell einen hohen sechs- oder gar siebenstelligen Betrag erreichen. Ohne tatsächlichen Verkauf müssen Sie diese Summe aus anderen Mitteln stemmen. Viele Betroffene unterschätzen diesen Liquiditätsbedarf. Im schlimmsten Fall müssen Unternehmensanteile beliehen oder Vermögenswerte hastig verkauft werden, nur um die Steuer zu bezahlen. Das kann Ihre finanzielle Flexibilität enorm einschränken. Fehlt die Liquidität, geraten Sie zudem in Verzug mit dem Finanzamt – ein Szenario, das zu Säumniszuschlägen oder Vollstreckungsmaßnahmen führen kann. Eine so ausgelöste Liquiditätskrise kann auch Ihr Unternehmen belasten, falls z.B. dringend Gewinne entnommen oder Dividenden ausgeschüttet werden müssen, um die persönliche Steuer zu begleichen.
  • Verlust von Vermögensschutz durch unerwünschte Bewertung: Der Wegzug zwingt zu einer offiziellen Bewertung Ihres Unternehmensvermögens. Dabei werden stille Reserven offengelegt. In mancher Hinsicht kann dies Ihren bisherigen Vermögensschutz schwächen. Zum einen entsteht durch den Steuerbescheid ein offenkundiger Wert Ihres Unternehmens, der vorher vielleicht nur Ihnen bekannt war. Diese Transparenz kann unerwünschte Aufmerksamkeit erregen – sei es von Gläubigern, Konkurrenten oder anderen Behörden. Zum anderen entzieht die Steuer selbst Ihrem Vermögen Substanz. Werte, die Sie vielleicht in schützenden Strukturen (Holding, Stiftung etc.) belassen wollten, müssen nun zumindest anteilig als Steuer abgeführt werden. Dadurch schrumpft Ihr geschütztes Vermögen. Gerade wenn Ihr Asset-Protection-Konzept darauf basierte, Vermögenswerte nicht offenzulegen oder unangetastet zu lassen, durchkreuzt die Wegzugsbesteuerung diese Strategie. Kurz gesagt: Die Zwangsbewertung und Besteuerung können Lücken in Ihren Vermögensschutz reißen.
  • Reputationsschäden bei Steuerstreit: Ein weiterer oft übersehener Aspekt ist der Reputationsverlust, der mit einem Streit oder Problemen rund um die Wegzugsteuer einhergehen kann. Wenn Sie versuchen, die Wegzugsbesteuerung aggressiv zu umgehen oder wenn es zu öffentlichkeitswirksamen Rechtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt kommt, kann Ihr guter Ruf als Unternehmer leiden. Investoren, Geschäftspartner oder die Öffentlichkeit reagieren unter Umständen empfindlich, wenn bekannt wird, dass ein Unternehmer seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, um Steuern zu sparen, und dann in einen langwierigen Rechtsstreit mit den Behörden gerät. Auch Banken könnten zurückhaltender werden, wenn Ihre finanzielle Situation durch eine hohe Steuerforderung belastet ist oder wenn unklar ist, ob noch Steuerzahlungen im Raum stehen. Ein Konflikt mit dem Fiskus ist zwar manchmal unvermeidbar, aber stets auch ein Imageschaden-Risiko – insbesondere in Deutschland, wo Steuerhinterziehung und aggressive Steuervermeidung gesellschaftlich kritisch gesehen werden. Daher gilt es, möglichst gar nicht erst in einen solchen Konflikt zu geraten, sondern frühzeitig rechtssicher zu planen.
  • Rückkehrfalle (7-Jahres-Regel): Die Rückkehroption klingt verlockend – man zieht ins Ausland, nutzt evtl. Ratenzahlung und plant, innerhalb von sieben Jahren wieder zurückzukehren, um die Steuer rückwirkend entfallen zu lassen. Doch diese Strategie ist riskant und sollte nicht als Selbstverständlichkeit eingeplant werden. Erstens können Lebensumstände sich ändern: Was, wenn es Ihnen im Ausland so gut gefällt (oder geschäftlich so gut läuft), dass Sie gar nicht mehr innerhalb der Frist zurückmöchten? Oder es ergeben sich unerwartete Hindernisse, die eine rechtzeitige Rückkehr vereiteln. Zweitens setzt die verlängerte Frist bis zu 12 Jahre eine nachweisbare Rückkehrabsicht voraus – hier schaut das Finanzamt genau hin. Wer nur pro forma die Rückkehr absichert, aber dann doch bleibt, tappt in die Falle: Nach Ablauf der Frist wird die gestundete Steuer sofort fällig, und zwar rückwirkend mit Zinsen. Zudem sind während der Stundungs-/Wartezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen (z.B. Anteile nicht veräußern, Mitteilungspflichten). Ein Verstoß kann die Stundung kippen. Die Rückkehrregelung sollte also nur dann in Anspruch genommen werden, wenn Sie realistisch vorhaben, innerhalb des Zeitfensters zurück nach Deutschland zu kommen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie die Steuer nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben haben – und am Ende womöglich mehr zahlen (inklusive etwaiger Zinsen und Sicherheitenverlust). Dieser Fallstrick hat schon manchen teuer zu stehen bekommen, der die 5- oder 7-Jahresfrist überschätzt hat.

Was tun vor dem Wegzug? – Strategien zur Strukturierung und Absicherung

Angesichts der komplexen Rechtslage und der finanziellen Risiken ist eine vorausschauende Planung das A und O, bevor Sie Ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen. Es gibt verschiedene Strategien, um die Wegzugsbesteuerung zu steuern oder abzumildern. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt stark von Ihrer individuellen Vermögensstruktur und Ihren Zukunftsplänen ab. Hier einige Ansätze, die Sie mit Ihren Beratern durchspielen sollten:

  • Wohnsitz und Steuerpflicht bewusst steuern: Überlegen Sie genau, ob Ihr Wegzug wirklich dauerhaft sein soll. Eine Möglichkeit ist, einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt zu planen, anstatt alle Zelte in Deutschland abzubrechen. Wenn Sie absehen können, dass Sie innerhalb von sieben Jahren zurückkehren (oder zumindest die Option offenhalten möchten), können Sie von der Rückkehroption Gebrauch machen. In dieser Zeit würde die Steuer gestundet bleiben. Alternativ kann es eine Strategie sein, einen Wohnsitz in Deutschland formell beizubehalten, um vorerst weiterhin als unbeschränkt steuerpflichtig zu gelten. Achtung: Ein bloßer Wohnsitz in Deutschland nützt nur, wenn nach DBA-Regelungen nicht das Ausland zum Hauptwohnsitz wird. Dies muss sauber gestaltet werden, sonst greift § 6 AStG trotzdem. Insgesamt gilt: Wenn möglich, gestalten Sie den Wegzug so, dass er entweder gar nicht als steuerlicher Wegzug zählt (Residency-Tie-Breaks beachten) oder behalten Sie die Option einer Rückkehr offen.
  • Anteilsübertragungen vor dem Wegzug: Eine beliebte Strategie ist, rechtzeitig vor dem Wegzug Anteile zu übertragen, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden. Beispielsweise könnten Sie Unternehmensanteile unentgeltlich auf nahe Angehörige übertragen, die in Deutschland bleiben (oder auf mehrere Personen aufteilen, sodass keiner die 1 %-Grenze überschreitet). Auch die Einbringung der Anteile in eine inländische Familienstiftung oder andere Vermögensstruktur kann helfen. Wenn Sie zum Wegzugszeitpunkt selbst keine Anteile mehr halten, greift § 6 AStG nicht. Natürlich müssen solche Übertragungen wohlüberlegt sein – Sie geben damit Eigentum oder zumindest Verfügungsrechte aus der Hand. Bei Familienübertragungen ist zu beachten, dass die Schenkungsteuer keine neuen Probleme bereitet. Dennoch: Wenn ohnehin eine Nachfolgeregelung geplant war, kann es sinnvoll sein, diese vorzuziehen und die Anteile schon vor der Auswanderung an die nächste Generation oder eine Stiftung zu übergeben. Damit entgehen die Werte der Wegzugsteuer, bleiben aber (indirekt) in der Familie oder in einem gewünschten Mantel.
  • Veräußerung oder Teilauszahlung vor dem Wegzug: So schmerzhaft es klingen mag – eine klare Option ist, die betreffenden Anteile vor dem Wegzug tatsächlich zu verkaufen. In dem Fall zahlen Sie zwar auch Steuern auf den Veräußerungsgewinn, aber: Sie haben dann wenigstens Liquidität aus dem Verkauf, um diese Steuern zu begleichen. Die Steuer auf einen echten Verkauf entspricht derjenigen auf den fiktiven Verkauf (ebenfalls Teileinkünfteverfahren, sofern >1 %). Der Unterschied ist, dass Sie im echten Verkaufsfall das Geld erhalten haben. Manche Unternehmer entscheiden sich daher, das Unternehmen vor der Auswanderung zu veräußern oder teilweise zu verkaufen, um die Liquidität sicherzustellen und die Wegzugsbesteuerung ins Leere laufen zu lassen (denn ohne Anteile im Wegzugszeitpunkt keine Steuer nach § 6 AStG). Alternativ kann auch eine hohe Gewinnausschüttung oder Dividende vor Wegzug helfen, Liquidität aus dem Unternehmen zu ziehen, mit der dann eine eventuell dennoch anfallende Wegzugsteuer bezahlt werden kann. Diese Vorgehensweisen wollen jedoch gut kalkuliert sein und hängen von Marktchancen sowie Ihrer Bereitschaft ab, sich vom Unternehmen zu trennen.
  • Optimierung der Unternehmensstruktur: In einigen Fällen lassen sich durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen Lösungen finden. Beispielsweise wurde früher oft versucht, die Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft umzuwandeln (etwa GmbH & Co. KG), da auf Personengesellschaftsanteile § 6 AStG nicht direkt anwendbar ist – hier greift allerdings eine Entstrickungsbesteuerung ähnlich. Eine andere Gestaltung ist die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft im Ausland oder die Gründung einer Familienstiftung als Holding vor dem Wegzug. Wenn die Anteile zum Wegzugszeitpunkt nicht (mehr) direkt Ihnen als natürliche Person zuzurechnen sind, kann die Wegzugsbesteuerung umgangen werden. Allerdings hat der Gesetzgeber viele dieser Konstruktionen im Blick und teilweise Regelungen geschaffen, um die Umgehung zu erschweren. Das Einbringen der Anteile in eine deutsche Personengesellschaft allein reicht heute meist nicht mehr aus, da dieser Schritt selbst steuerliche Folgen haben kann. Solche Gestaltungen erfordern sehr erfahrene Beratung und sollten individuell geprüft werden. Doch für sehr vermögende Personen kann etwa eine Familienstiftung im Inland eine sinnvolle Lösung sein: Sie bleiben wirtschaftlich begünstigt, aber rechtlich hält die Stiftung die Anteile – somit findet kein Wegzug einer natürlichen Person mit Anteilen statt.
  • Steuerliche Beratung und Timing: Unabhängig von konkreten Maßnahmen gilt: Ziehen Sie unbedingt einen Steuerberater mit Spezialwissen im internationalen Steuerrecht hinzu, bevor Sie Fakten schaffen. Oft hängt viel vom Timing ab – z.B. kann es einen Unterschied machen, in welchem Kalenderjahr genau Sie wegziehen, je nachdem, ob noch Dividenden zufließen oder ob Sie kurz vor einem Wertanstieg stehen. Ein Experte kann berechnen, welche Variante die geringste Steuerlast auslöst. Mit geschickter Planung lassen sich manchmal auch Doppelbesteuerungsabkommen nutzen, um eine günstigere Steuerlast zu erreichen (etwa wenn ein Land auf bestimmte Gewinne verzichtet oder eine Anrechnung vorsieht). All diese Feinheiten kann man nur im Voraus gestalten. Ist der Wegzug erst erfolgt, sind Ihre Handlungsspielräume stark eingeschränkt.

Zusammengefasst: Bevor Sie Ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern, sollten Sie einen maßgeschneiderten Plan entwickeln, wie Sie mit der Wegzugsbesteuerung umgehen. Dieser Plan könnte beinhalten, wer die Anteile hält, wann ggf. Verkäufe stattfinden, wie Liquidität bereitgestellt wird und ob eine Rückkehr perspektivisch möglich ist.

Jede Lösung hat Vor- und Nachteile – was zählt, ist eine individuelle Abstimmung auf Ihre Ziele und Ihr Vermögen.

Warum steuerliche Exit-Strategien frühzeitig geplant werden müssen

Die Wegzugsbesteuerung in Deutschland kann eine erhebliche Hürde auf dem Weg ins Ausland darstellen. Sie ist komplex, streng geregelt und finanziell potenziell sehr belastend. Wie wir gesehen haben, werden fiktive Gewinne besteuert, Liquidität gefordert und Fehlplanungen hart sanktioniert. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die international tätig sein möchten oder sich von der deutschen Steuerlast entlasten wollen. Diesen Spagat – international mobil sein, aber nicht in Steuerfallen tappen – meistert man nur mit einer rechtzeitigen Exit-Strategie.

Frühzeitige Planung bedeutet, dass Sie Jahre vor einer geplanten Auswanderung bereits Ihre Karten neu mischen: Beteiligungsverhältnisse überprüfen, potentielle Bewertungsreserven erkennen, steuerliche Vergünstigungen nutzen, solange sie gelten, und eventuelle Umstrukturierungen vornehmen, solange Sie noch unter deutscher Steuerhoheit sind. Denn ist der Wegzug erst erfolgt, kommt das böse Erwachen meist mit dem Steuerbescheid. Dann lassen sich Werte allenfalls noch im Nachhinein verteidigen, aber nicht mehr gestalten. Wer hingegen proaktiv handelt – also früh mit seinem Steuerberater und Rechtsanwalt eine Exit-Strategie entwickelt – kann viele der genannten Fallstricke entschärfen. Sie können Ihre Steuerlast kalkulierbar machen, für ausreichende Liquidität sorgen und sicherstellen, dass Ihr Unternehmensvermögen bestmöglich geschützt bleibt, auch wenn Sie im Ausland sind.

Letztlich sollte der Entschluss, Deutschland zu verlassen, nicht nur unter Lifestyle- oder Geschäftsgesichtspunkten getroffen werden, sondern immer auch unter gründlicher steuerlicher Abwägung. Die Wegzugsbesteuerung muss in Ihre Überlegungen mit einbezogen werden. Tun Sie dies, stehen Ihnen alle Möglichkeiten offen, international neu durchzustarten – ohne dass Ihr aufgebautes Vermögen unnötig Schaden nimmt. Die Devise lautet: Steuerliche Exit-Strategien frühzeitig planen, damit Ihr Weg ins Ausland nicht zur finanziellen Falle wird.

Wir beraten unsere Kunden mit fundiertem Know-how und einem erfahrenen Beraternetzwerk zu rechtssicheren Schutzstrategien – individuell abgestimmt auf ihre Vermögensstruktur und Zielsetzung.

Quellen

  • § 6 Außensteuergesetz (AStG) – Gesetze-im-Internet.de (Wortlaut der gesetzlichen Regelung zur Wegzugsbesteuerung)
  • Deubner Verlag: „Wegzugsbesteuerung: Alle Änderungen im Blick?“ (Übersicht der Reform durch das ATAD-Umsetzungsgesetz 2021/2022 und deren Auswirkungen)