Lohnfortzahlung wird zur Milliardenlast
Kranke Mitarbeiter – Wenn Lohnfortzahlung zur Milliardenlast wird
Unternehmen zahlen 82 Milliarden Euro für Ausfälle
Das Entgeltfortzahlungsgesetz garantiert Arbeitnehmern, dass sie auch im Krankheitsfall ihr Gehalt weiter erhalten. Was für Beschäftigte Sicherheit bedeutet, entwickelt sich für Arbeitgeber zunehmend zur finanziellen Belastung.
Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mussten Unternehmen im Jahr 2024 rund 82 Milliarden Euro für die Lohnfortzahlung kranker Mitarbeiter aufbringen. Das ist mehr als das Vierfache der Summe, die die Krankenkassen für Krankengeld zahlten – und macht knapp ein Viertel aller Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung aus.
Seit 2010 haben sich die Kosten für Arbeitgeber damit mehr als verdoppelt.
Mehr Beschäftigte, höhere Löhne – steigende Kosten
Der Anstieg erklärt sich nicht nur durch einen höheren Krankenstand. Auch andere Faktoren treiben die Summe nach oben:
- Rekord an Erwerbstätigen: 2024 waren so viele Menschen in Arbeit wie nie zuvor. Mehr Beschäftigte bedeuten auch mehr Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall.
- Lohnentwicklung: Mit steigenden Gehältern steigen automatisch auch die Kosten für Krankheitstage. Selbst bei gleichbleibendem Krankenstand zahlen Unternehmen heute deutlich mehr als noch vor zehn Jahren.
- Demografie: Eine alternde Belegschaft bringt naturgemäß höhere Krankheitsraten mit sich.
Die Folge: Selbst wirtschaftlich gesunde Unternehmen sehen sich durch die steigenden Lohnnebenkosten massiv belastet.
Ideen zur Entlastung – Karenztage und Begrenzungen
In der Diskussion um Reformen werden verschiedene Modelle ins Spiel gebracht:
- Karenztage: Arbeitnehmer würden in den ersten Krankheitstagen keine oder nur reduzierte Lohnfortzahlung erhalten.
- Begrenzung auf sechs Wochen pro Jahr: Auch bei neuen Diagnosen soll die Pflicht zur Fortzahlung gedeckelt werden.
- Senkung der Lohnnebenkosten: IW-Ökonom Jochen Pimpertz betont, dass Unternehmen häufig bereits in die Gesundheit ihrer Belegschaften investieren. Will die Politik wirklich entlasten, müsse sie bei den Nebenkosten ansetzen – und damit auch die Wachstumsimpulse der Wirtschaft stärken.
Ein strukturelles Risiko für den Standort Deutschland
Die Zahlen zeigen deutlich: Die Belastungen durch das Sozial- und Abgabensystem erreichen eine neue Dimension. Für Investoren und Unternehmer ist die Pflicht zur Lohnfortzahlung längst mehr als ein reines Personalthema – sie wird zunehmend zu einem Standortrisiko.
Gerade im internationalen Vergleich zeigt sich: Während Deutschland über steigende Lohnnebenkosten diskutiert, schaffen andere Länder gezielt Entlastungen, um Investitionen und Unternehmensansiedlungen zu fördern.
Ohne Entlastung droht ein Wettbewerbsnachteil
Wenn die Politik es ernst meint mit wirtschaftlichem Aufschwung, braucht es eine ehrliche Reformdebatte. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall darf nicht länger ein Tabuthema sein – zu groß ist die Last für Arbeitgeber, zu hoch die Gefahr, dass Unternehmen Ausweichstrategien wählen oder Investitionen ins Ausland verlagern.
Am Ende geht es um mehr als nur Krankenstände: Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.

