Made in China 2025
Made in China 2025
Made in China 2025 (MIC2025) ist ein umfassendes industriepolitisches Programm, das die chinesische Regierung im Mai 2015 eingeführt hat.
Es handelt sich um einen staatlichen Strategieplan unter Federführung von Premierminister Li Keqiang und dem Staatsrat, der darauf abzielt, Chinas Fertigungssektor grundlegend zu modernisieren und das Land von einer „Werkbank“ der Weltwirtschaft zu einer führenden Industrie- und Technologiemacht weiterzuentwickeln.
Das Programm wurde maßgeblich von der deutschen Hightech-Strategie „Industrie 4.0“ inspiriert, geht jedoch in seiner Breite darüber hinaus.
Nach eigener Darstellung der chinesischen Führung soll „Made in China 2025“ im Einklang mit den Verpflichtungen aus der Welthandelsorganisation (WTO) stehen.
International wurde die Strategie jedoch von Beginn an genau beobachtet – viele Staaten sehen darin eine Herausforderung für die globale Wettbewerbsordnung und technologische Vorherrschaft.
Im Folgenden werden die Hintergründe, Ziele, Umsetzung sowie Reaktionen und aktuelle Entwicklungen rund um „Made in China 2025“ sachlich beleuchtet.
Politische und wirtschaftliche Hintergründe
Die Einführung von „Made in China 2025“ erfolgte vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Strukturwandels in China. Nach Jahrzehnten rapiden Wachstums als Hersteller kostengünstiger Massenprodukte stieß das traditionelle Entwicklungsmodell an Grenzen.
Steigende Löhne, demografische Veränderungen und das Risiko einer „middle income trap“ (Mittlere-Einkommens-Falle) erhöhten den Druck, die Wertschöpfung zu steigern und höhere Produktivität zu erreichen. Politisch verfolgt die Führung in Peking das Ziel, technologische Eigenständigkeit zu erlangen und Abhängigkeiten von ausländischem Know-how zu verringern.
Präsident Xi Jinping verknüpfte diese Industrialisierungsstrategie mit dem Konzept der „Wiederauferstehung der chinesischen Nation“ und langfristigen Entwicklungszielen bis 2049, dem 100. Jahrestag der Volksrepublik. Premier Li Keqiang machte sich für die Modernisierung der Industrie stark und verwies dabei explizit auf deutsche Vorbilder wie Industrie 4.0.
Die Regierung identifizierte eine Reihe strategischer Schlüsselbranchen, in denen China von der Nachahmung zur eigenen Innovation aufsteigen müsse, um im Zeitalter der vierten industriellen Revolution wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig sollten qualitative Aspekte wie Produktqualität, Markenbildung und Umweltverträglichkeit stärker in den Vordergrund rücken, um Chinas Industrie nachhaltiger und hochentwickelter zu machen.
Ziele und strategische Kernbranchen
Made in China 2025 bildet den Auftakt eines Drei-Phasen-Plans, mit dem China bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts zur führenden Industrienation aufsteigen will. In der ersten Phase (bis 2025) soll die gesamtwirtschaftliche Fertigungsqualität deutlich verbessert, die Innovationsfähigkeit der heimischen Industrie erheblich gesteigert und der Eigenversorgungsgrad bei wichtigen Komponenten und Materialien auf ~70 % erhöht werden.
Eine Zwischenetappe bis 2020 sah bereits ~40 % einheimischen Anteil an Kernmaterialien vor. In Phase 2 (bis 2035) will China zur internationalen Spitzengruppe der Industrieländer aufschließen und in wichtigen Hightech-Bereichen führend sein.
Bis 2049 schließlich – dem 100. Jubiläum der Volksrepublik – soll China als globale Industrie- und Technologiemacht etabliert sein.
Um diese Ziele zu erreichen, fokussiert MIC2025 insbesondere auf zehn strategische Kernbranchen der Zukunft.
Dazu zählen laut Plan insbesondere Hightech-Industriezweige, in denen China seine Wettbewerbsposition ausbauen möchte:
- Neue Informationstechnologien (z.B. 5G, Künstliche Intelligenz, Halbleiter)
- Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen und Robotik (Industrieautomation)
- Luft- und Raumfahrt (inkl. Flugzeugbau, Satellitentechnik)
- Marine- und Schiffbautechnik (Hightech-Schiffbau, Offshore-Anlagen)
- Moderne Schienenverkehrstechnik (Hochgeschwindigkeitszüge u. Ä.)
- Fahrzeuge mit neuen Antriebstechnologien (Elektromobilität, Energieeinsparung)
- Elektrische Ausrüstungen und Energieanlagen (Stromerzeugungs- und Verteiltechnologien)
- Agrarmaschinen (hochautomatisierte Landmaschinen)
- Neue Werkstoffe (neuartige Materialien, Spezialwerkstoffe)
- Biomedizin und Hochleistungs-Medizintechnik
Neben diesen Schwerpunktbranchen definiert der Plan neun strategische Handlungsfelder, darunter die Steigerung der Innovationskapazität, die Integration von IT und Industrie, die Stärkung der industriellen Basis (z.B. Grundstoffe, Komponenten), Qualitäts- und Markenförderung, “grüne” Produktion sowie die Internationalisierung der Fertigungswirtschaft.
So soll etwa die Verschmelzung von moderner Informations- und Kommunikationstechnik mit der Fertigung vorangetrieben werden (Stichwort Smart Manufacturing), um Produktivitätssprünge zu erzielen.
Ein weiteres Ziel ist der Aufbau eigener Weltmarken und die Verbesserung der Produktqualität chinesischer Erzeugnisse, damit “Made in China” künftig für fortschrittliche und zuverlässige Technologie steht.
Insgesamt verfolgt MIC2025 damit das Leitmotiv, China vom Image des reinen Produktionsstandorts für Fremdtechnologien hin zu einem Innovationszentrum zu entwickeln – häufig umschrieben als Wandel von „Made in China“ zu „Invented in China“.
Umsetzung und Maßnahmen
Die Verwirklichung von Made in China 2025 erfolgt durch ein breites Bündel staatlicher Lenkungsinstrumente und Investitionen. Zentrale und lokale Behörden in China haben seit 2015 hunderte konkrete Aktionspläne, Richtlinien und Förderprogramme erlassen, um die Ziele von MIC2025 umzusetzen. Bis Ende 2018 wurden beispielsweise rund 445 offizielle Dokumente veröffentlicht, die spezifische Maßnahmen und Förderinstrumente definieren. Zudem wurden landesweit Pilotprojekte und Demonstrationszonen initiiert – Ende 2018 bereits knapp 4000 –, in denen neue Technologien und Industriepolitiken erprobt werden. Bestimmte Städte und Regionen wurden als „Pilotstädte“ ausgewählt (erstmals Ningbo in der Provinz Zhejiang), um ein optimales Umfeld für industrielle Innovation zu schaffen und Erfahrungen für die landesweite Ausdehnung zu sammeln.
Ein Kernelement der Umsetzung sind massive staatliche Investitionen und Subventionen. Allein 2018 flossen schätzungsweise 300 Mrd. US-Dollar in Forschung und Entwicklung – etwa 2,2 % des chinesischen BIP. Die Regierung richtet sogenannte Lenkungs- und Investitionsfonds ein, um gezielt in Schlüsseltechnologien zu investieren; das Volumen solcher Fonds hat sich in den ersten Jahren des Programms vervielfacht. Gleichzeitig wurden Steuererleichterungen für FuE-intensive Unternehmen stark ausgeweitet, um Innovation zu begünstigen. Unternehmen in förderfähigen Sektoren können z.B. erhöhte Steuerabzüge für Forschungsaufwendungen geltend machen, was die Zahl der begünstigten Firmen seit 2015 um ein Vielfaches steigen ließ.
Auch Technologietransfer von außen spielt eine wichtige Rolle. Ausländische Konzerne werden durch Marktanreize und Regularien dazu angehalten, Produktion und Entwicklung fortschrittlicher Technologien nach China zu verlagern. In vielen Branchen wurde die Präsenz ausländischer Anbieter im heimischen Markt reglementiert oder an Joint Ventures mit lokalen Partnern geknüpft, um Wissen abzuschöpfen. Firmen, die ihre neueste Technologie nicht nach China bringen wollen, sehen sich teils Nachteilen gegenüber lokalen Wettbewerbern ausgesetzt oder werden Ziel von Übernahmeversuchen chinesischer Akteure. So hat China gezielt Auslandsakquisitionen in Schlüsselindustrien gefördert – etwa der Kauf des deutschen Robotik-Herstellers KUKA 2016 – um Zugang zu fortgeschrittenem Know-how zu erhalten. Diese Strategie, kombiniert mit der schieren Marktgröße Chinas, zeigt Wirkung: In etlichen MIC2025-Branchen verlagerten globale Hersteller Hightech-Fertigung ins Land, wodurch der Importbedarf Chinas sinkt und lokale Wertschöpfung steigt.
Parallel investiert der Staat in den Aufbau heimischer Innovationskapazitäten. Bis 2025 sollen etwa 40 nationale Technologie- und Forschungszentren neu entstehen, in denen Unternehmen, Universitäten und Institute gemeinsam an Durchbrüchen in den Schlüsselbereichen arbeiten. Förderprogramme für “Intelligente Fabriken” (Smart Manufacturing) unterstützen Betriebe dabei, Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung der Produktion voranzutreiben. Auch die “grüne Produktion” wird adressiert: Tausende „grüne“ Modellfabriken und -industriezonen mit erhöhter Energieeffizienz und Umweltschutzstandards sind geplant. Insgesamt zeichnet sich die Umsetzung durch eine enge Verzahnung von staatlicher Steuerung und marktgetriebener Innovation aus. Die Führung versucht, eine neue Balance zwischen Staatsunternehmen und Privatsektor zu finden, um die Stärken beider für die Industrialisierungsschübe zu nutzen. Große Staatsunternehmen werden angehalten, mit dynamischen Tech-Firmen zu kooperieren, damit Innovationen schneller Anwendung finden. Diese aktive Industriepolitik greift teils stark in die Marktkräfte ein, soll aber nach offizieller Lesart notwendig sein, um Chinas technologische Aufholjagd zu beschleunigen.
Nationale und internationale Reaktionen
Binnen China wurde Made in China 2025 von staatlicher Seite als unverzichtbarer Schritt zur wirtschaftlichen Modernisierung propagiert. Offizielle Verlautbarungen betonen, das Programm stehe ausländischen Unternehmen offen – diese könnten in den Schwerpunktbereichen investieren oder F&E-Zentren in China aufbauen und so mit profitieren. Die Regierung beharrt darauf, dass MIC2025 regelkonform und letztlich auch im Interesse einer fortschrittlicheren globalen Industrieentwicklung sei. Chinesische Firmen haben die neuen Chancen weitgehend begrüßt: Privatunternehmen investierten verstärkt in Zukunftstechnologien wie E-Mobilität, Künstliche Intelligenz oder Fintech, oft unterstützt durch staatliche Fördergelder. Gleichzeitig sichern sich große Staatskonzerne mit politischen Rückendeckungen Marktanteile in den Zielsektoren. Kritik oder kontroverse öffentliche Debatten innerhalb Chinas blieben aus – zu stark ist die strategische Bedeutung, die Partei und Regierung dem Programm beimessen. Allerdings hat die chinesische Führung auf den wachsenden internationalen Gegenwind reagiert: Seit etwa 2018 wird die Bezeichnung „Made in China 2025“ in offiziellen Reden und Dokumenten deutlich seltener ausdrücklich erwähnt, um keine Angriffsfläche zu bieten. Premier Li Keqiang ließ den Begriff 2019 in seinem Regierungsbericht sogar ganz weg, nachdem westliche Politiker ihre Vorbehalte deutlich gemacht hatten. An der inhaltlichen Umsetzung hat China indes nicht gezweifelt – die Ziele werden intern weiterverfolgt, nur unter neutraleren Titeln wie etwa „Innovationsantrieb“ oder eingebettet in allgemeinen Fünfjahresplan-Rahmen.
International stieß MIC2025 von Anfang an auf gemischte Reaktionen, überwiegend jedoch Skepsis bis Kritik bei Handels- und Regierungspartnern. In den USA wurde die chinesische Industriestrategie schnell als Bedrohung für die technologische Vormachtstellung wahrgenommen. Amerikanische Regierungsstellen und Think-Tanks bezeichneten das Programm als aggressiv staatlich gesteuert und potenziell „existenziell“ gefährlich für die führende Stellung der USA in Zukunftsbranchen. Unter Präsident Donald Trump diente Made in China 2025 explizit als Begründung für handelspolitische Strafmaßnahmen: Der 2018 entfachte Handelskrieg mit hohen Zöllen auf chinesische Hightech-Güter wurde damit gerechtfertigt, dass Chinas staatliche Förderung und erzwungener Technologietransfer US-Unternehmen unfair benachteiligten. Washington verschärfte zudem die Kontrolle chinesischer Investitionen in amerikanische Tech-Firmen und verhängte Sanktionen gegen chinesische Technologiekonzerne (z.B. Huawei und ZTE), um die Umsetzung von MIC2025 in sensiblen Bereichen zu bremsen. Die Konfrontation um das Programm trug wesentlich dazu bei, dass die USA und China sich zunehmend in einen technologischen Systemwettbewerb begeben haben, der von beiden Seiten als strategisch entscheidend betrachtet wird.
Auch in Europa wurde Made in China 2025 genau analysiert. Insbesondere Deutschland – mit seiner starken Automobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie – fühlte sich angesprochen, da China in exakt jenen Sektoren zur Konkurrenz aufsteigen will, in denen deutsche Firmen traditionell Weltmarktführer sind. Anfangs suchte man noch den Dialog: Es gab Kooperationen zwischen Industrie 4.0-Initiativen und chinesischen Partnern, in der Hoffnung, gegenseitigen Nutzen zu ziehen. Doch spätestens mit der Übernahme des Roboterbauers KUKA 2016 und weiteren chinesischen Investitionen wurde deutlich, dass strategische Technologien Europas im Fokus Pekings stehen. EU-Industrieverbände und Handelskammern warnten vor ungleichen Spielregeln – chinesische Firmen hätten dank Staatsgeld einen langen Atem, während europäische Unternehmen im chinesischen Markt oft Marktzugangsbarrieren und Druck zum Technologietransfer erlebten. 2019 stufte die EU-Kommission China erstmals offiziell als „systemischen Rivalen“ ein. In mehreren EU-Staaten wurden die Überprüfungsverfahren für ausländische Investitionen verschärft, um unerwünschte Firmenkäufe in Schlüsselbranchen zu verhindern (ein indirekter Reflex auf MIC2025). Europäische Politiker mahnen China seither, auf Reziprozität zu achten – d.h. ausländische Firmen fair zu behandeln, wie chinesische Firmen im Ausland. Die EU-Handelskammer in China äußerte wiederholt Besorgnis: Sollten MIC2025-Politiken weiterlaufen, drohten wachsende Spannungen und eine schrittweise Verdrängung westlicher Anbieter aus Chinas Hightech-Märkten. Gleichzeitig sehen europäische Unternehmen in Chinas Aufrüstung auch einen enormen Absatzmarkt für eigene Spitzentechnologie – ein Dilemma zwischen Kooperation und Konkurrenz. Insgesamt hat Made in China 2025 die westliche Wahrnehmung Chinas verändert: Aus einem reinen Partner in Wirtschaftsfragen ist teils ein Wettbewerber oder gar Rivale geworden, was neue Strategien im Umgang mit China erfordert.
Kritiken und Kontroversen
Made in China 2025 ist Gegenstand vielfältiger Kritik und Kontroversen. Wirtschaftsliberal orientierte Stimmen monieren, das Programm sei ein klassischer Fall von staatlicher Industrielenkung, der zu Marktverzerrungen führe. Durch massive Subventionen und Protektion heimischer Firmen würden Wettbewerbsbedingungen einseitig zugunsten Chinas verschoben – zum Nachteil ausländischer Unternehmen, die auf Chancengleichheit hoffen. Westliche Branchenverbände beklagen etwa, dass chinesische Konkurrenten dank staatlicher Unterstützung Produkte unter Produktionskosten anbieten oder unfaire Vorteile in öffentlichen Ausschreibungen genießen könnten. Ferner steht der Vorwurf des erzwungenen Technologietransfers im Raum: Ausländische Firmen, die in China tätig sind, fühlen sich teils gedrängt, ihr Know-how preiszugeben – sei es durch Joint-Venture-Vorgaben, lokale Fertigungsquoten oder informellen Druck. Die USA warfen China in diesem Zusammenhang auch Industriespionage und systematischen Diebstahl geistigen Eigentums vor, um die MIC2025-Ziele zu erreichen. Dies hat das bilaterale Verhältnis stark belastet und sogar zu Klagen vor der WTO geführt. China bestreitet diese Anschuldigungen und verweist darauf, dass viele Innovationen legal durch Kooperation ins Land kommen und ausländische Firmen vom riesigen chinesischen Markt profitieren würden, was ein Geben und Nehmen impliziere.
Ein weiterer kontroverser Punkt sind die ambitionierten Zielvorgaben des Programms. Made in China 2025 formuliert z.T. sehr hohe Inlandsmarktanteile für chinesische Hersteller – in einigen Sektoren bis zu 70–80 % oder mehr bis 2025. Kritiker sehen darin faktische Local-Content-Vorgaben, die dem Geist des freien Handels widersprechen und ausländische Anbieter verdrängen sollen. So prognostizierte etwa die chinesische Regierung, heimische Unternehmen würden bis 2025 in vielen Hightech-Sparten die Mehrheit des Inlandsmarktes erobern. Falls nötig, würde China diese Entwicklung durch Schutzzölle, Normung oder staatliche Aufträge begünstigen – eine Haltung, die international auf Ablehnung stößt. Handelspartner monierten wiederholt, Made in China 2025 verletze zumindest die WTO-Grundidee des fairen Wettbewerbs, auch wenn konkrete Vertragsverletzungen schwer nachzuweisen sind.
Die Umsetzung des Plans blieb ebenfalls nicht frei von Problemen. Trotz großer Fortschritte fehlt China in einigen Bereichen nach wie vor das technologische Know-how, um die Lücke zur Weltspitze zu schließen. Diese “Achillesferse” zeigte sich besonders, als die USA Exportverbote für Hochtechnologie verhängten: Chinesische Vorzeigeunternehmen wie Huawei gerieten wegen fehlender inländischer Alternativen für cutting-edge Halbleiter und Spezialteile zeitweise in Bedrängnis. Westliche Sanktionen haben verdeutlicht, dass Chinas Abhängigkeit in gewissen Bereichen fortbesteht – eine Schwachstelle, die intern für Diskussionen sorgt. Einige chinesische Experten warnen zudem vor Ineffizienzen: Wenn lokale Regierungen um Fördergelder konkurrieren und in jeder Provinz ähnliche Hightech-Projekte aus dem Boden gestampft werden, drohen Überschneidungen und Überkapazitäten (ähnlich der Situation bei Solarmodulen oder Stahl in früheren Jahren). Diese Risiken eines top-down gesteuerten Ansatzes stehen im Kontrast zu den Erfolgen, die private Tech-Firmen oft agiler erreichen.
Nicht zuletzt hat MIC2025 auch eine politische Kontroverse zwischen China und dem Westen entfacht. Während Peking betont, jedes Land habe das Recht, seine Industrien zu fördern, sehen westliche Beobachter in Chinas Vorgehen eine gezielte Herausforderung der bestehenden Wirtschaftsordnung. Das Misstrauen führte so weit, dass selbst die Beratungstätigkeit westlicher Firmen am chinesischen Programm kritisch beäugt wird: 2024 wurde bekannt, dass die US-Unternehmensberatung McKinsey bei Chinas MIC2025-Strategie mitgewirkt haben soll – woraufhin amerikanische Politiker forderten, McKinsey von staatlichen Aufträgen auszuschließen. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie aufgeladen das Thema geworden ist. Made in China 2025 ist längst mehr als ein Wirtschaftsförderprogramm – es steht symbolisch für den Wettbewerb der Systeme Staatskapitalismus vs. freier Markt und für die Frage, wie offen oder geschlossen der Welthandel der Zukunft sein wird.
Aktuelle Entwicklungen und Ausblick nach 2020
Seit 2020 hat sich das Umfeld für Made in China 2025 weiter gewandelt, doch die Stoßrichtung bleibt bestehen. Offiziell vermeidet die chinesische Regierung zwar weitgehend den Ausdruck „Made in China 2025“, doch die Industriepolitiken werden unvermindert fortgeführt. Viele Elemente des Programms flossen in den aktuellen 14. Fünfjahresplan (2021–2025) und andere Strategiepapiere ein, die verstärkt Technologie-Eigenständigkeit und Innovation betonen. Präsident Xi propagiert seit 2020 das Konzept der „Dual Circulation“ (Doppel-Kreislauf), bei dem die Stärkung der Binnenwirtschaft und heimischer Technologie als Antwort auf globale Unsicherheiten im Mittelpunkt steht. Beobachter werten dies als Fortsetzung der MIC2025-Ziele unter neuen Schlagworten. China investiert nun noch intensiver in Schlüsseltechnologien wie Halbleiter, Künstliche Intelligenz, Batterieproduktion und Saubere Energien, um Versäumnisse aufzuholen und sich gegen externe Abkopplungs-Tendenzen zu wappnen.
Ein Blick auf die Zwischenbilanz zeigt ein gemischtes Bild. In einigen der zehn Fokusbranchen konnten chinesische Unternehmen in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielen. So gehört China heute bei Elektrofahrzeugen und Batterietechnik zur Weltspitze – 7 der 10 größten Batteriehersteller für E-Autos sind chinesisch, heimische E-Auto-Marken wie BYD oder NIO expandieren global. Auch in der Telekommunikationstechnik und Digitalisierung hat China aufgeholt: Konzerne wie Huawei und ZTE waren federführend beim 5G-Netzausbau, und im Bereich Künstliche Intelligenz und Big Data gehört China zu den führenden Nationen. Im Schienenverkehr (Hochgeschwindigkeitszüge) und Schiffbau hat China teils bereits die weltgrößte Fertigungskapazität aufgebaut. Diese Fortschritte zeigen, dass MIC2025 viele Branchen belebt und modernisiert hat. Chinesische Anbieter sind heute in mehreren Hightech-Sektoren ernsthafte Konkurrenten auf dem Weltmarkt, etwa bei Solar- und Windkraftanlagen, Drohnen oder eben Elektrofahrzeugen.
Gleichzeitig bleiben Schwachstellen evident. In hochkomplexen Bereichen wie Halbleiter-Chips, Luftfahrttriebwerken, Präzisions-Werkzeugmaschinen oder innovativen Pharmawirkstoffen hinkt China auch 2025 noch hinterher. Trotz aller Bemühungen beträgt Chinas Anteil an der modernsten Chipfertigung nur einen Bruchteil, und Schlüsseltechnologien müssen weiterhin importiert werden. Westliche Restriktionen – etwa die US-Exportkontrollen für Halbleiteranlagen 2022 – bremsen die Aufholjagd zusätzlich aus. Zwar hat China seine Importabhängigkeit in vielen Sektoren reduziert, aber in bestimmten kritischen Technologien behalten ausländische Firmen nach wie vor einen Vorsprung. Die angestrebte 70 % Selbstversorgungsquote bis 2025 wurde insgesamt wohl nicht in allen Bereichen erreicht, auch wenn die Importlücke kleiner wurde. Experten schätzen, dass China in einigen Sparten noch Jahre oder Jahrzehnte brauchen wird, um die letzte Meile zur Weltspitze zu überbrücken – wenn überhaupt.
Die Bewertungen des Programms fallen dementsprechend unterschiedlich aus. Befürworter verweisen darauf, dass Made in China 2025 Chinas Industrie erhebliche Modernisierungsschübe gebracht hat: Die Wertschöpfung ist höher, die Produktqualität hat sich verbessert und chinesische Firmen haben global Marktanteile gewonnen – mithin seien die Weichen Richtung Technologieführerschaft gestellt. Kritiker hingegen betonen die verfehlten oder verschobenen Zielmarken und die fortbestehende Abhängigkeit in Schlüsseltechnologien. Einige westliche Analysen kommen zu dem Schluss, dass China zwar in der Breite erfolgreicher und unabhängiger produziert, jedoch noch keine dominante Übermacht in den meisten Hightech-Industrien ist. Gleichwohl hat die Initiative global Spuren hinterlassen: Viele Länder haben als Reaktion eigene Industrieprogramme gestartet oder den Schutz ihres Technologiewissens verschärft. Das internationale Gefüge im Hightech-Bereich bewegt sich seither stärker in Richtung Wettbewerb der Systeme.
Für die Zukunft ist abzusehen, dass China an den Kernzielen von Made in China 2025 festhält. Offiziell dürfte das Nachfolgeprogramm anders benannt oder in umfassendere Pläne integriert werden, doch die Stoßrichtung – die zehn Schlüsselbranchen weiter zu stärken und bis 2035/2049 zur Weltspitze aufzuschließen – bleibt bestehen. In den kommenden Jahren ist mit weiteren staatlichen Initiativen zu rechnen, etwa einem verstärkten Fokus auf die Setzung internationaler Technologiestandards („China Standards 2035“ wird hier als Schlagwort diskutiert). Gleichzeitig könnten globale Gegenreaktionen den Spielraum etwas einengen: Sollte China seine Industriepolitik unverändert fortführen, drohen verstärkte Handelskonflikte, mehr Technologie-Entkopplung seitens westlicher Länder und damit eine fragmentierte Weltwirtschaft. China wird versuchen, dieses Risiko durch selektive Öffnung und Kooperation mit willigen Partnerländern abzufedern, während es kritische Lücken (etwa im Halbleiterbereich) mit riesigen Investitionen selbst zu schließen versucht.
Insgesamt hat Made in China 2025 die Richtung vorgegeben, in die Chinas Wirtschaft steuert: hin zu mehr High-Tech, Eigenständigkeit und globalem Führungsanspruch in der Industrie. Die nächsten Jahre bis 2025 und darüber hinaus werden zeigen, inwieweit diese ambitionierte Vision Realität wird – und wie die Welt darauf reagiert.
Quellen und weiterführende Links
- Wikipedia (de): „Made in China 2025“ – Einführung und Einordnung des Programms, inklusive Zielen und internationaler Einschätzung (CFR-Zitat).
- Council on Foreign Relations – „Is ‘Made in China 2025’ a Threat to Global Trade?” – Hintergrundbericht (2018) zu MIC2025, Zielen (70 % Selbstversorgungsquote bis 2025) und US-Sichtweise.
- english.gov.cn – „‘Made in China 2025’ plan issued” – Offizielle Mitteilung der chinesischen Regierung (2015) mit Nennung der Kernbranchen, Aufgaben und Begründungen der Strategie.
- MERICS – „Evolving Made in China 2025“ (Studie 2019, Pressemitteilung) – Analyse der Umsetzung von MIC2025 (Dokumente, Investitionen, Pilotprojekte) und Auswirkungen auf verschiedene Branchen, inklusive deutscher Perspektive.
- Rhodium Group – „Was Made in China 2025 Successful?” – Auswertung (2023/24) der Ergebnisse von MIC2025: Ausmaß staatlicher Förderung, Veränderungen bei Importabhängigkeiten, Marktanteilen und technologischer Wettbewerbsfähigkeit.
- European Chamber of Commerce in China – Report „Made in China 2025: The Cost of Technological Leadership” (2025) – Einschätzung europäischer Unternehmen zu MIC2025, Warnungen vor Marginalisierung ausländischer Firmen und Handlungsempfehlungen.
- MERICS – Pressemitteilung zu MIC2025 (2019) – Beschreibung der staatlichen Lenkung (Staatskapitalismus), Technologietransfer-Strategien und spezifische Warnungen für Deutschland und Europa.
- Wikipedia (de) „Made in China 2025“ – Inhalte – Details zu den fünf großen Initiativen innerhalb des Programms (Aufbau von Innovationszentren, Green Manufacturing, Smart Manufacturing etc.).
- MERICS – Pressemitteilung (2019) – Hinweis darauf, dass der Begriff MIC2025 aus der offiziellen Rhetorik verschwand, die Ziele aber unverändert weiterverfolgt werden.
- Wikipedia (de) – Bericht über die Kontroverse 2024 um McKinseys Beteiligung an MIC2025 und Reaktionen von US-Politikern (Vertrauenskonflikt).