Schulbildung in Deutschland seit 2015
Schulbildung in Deutschland seit 2015: Entwicklungen, Zahlen und Trends
Seit 2015 hat sich das deutsche Schulwesen in vielerlei Hinsicht verändert.
Während immer mehr Jugendliche höhere Bildungsabschlüsse wie das Abitur erreichen, bereiten gleichzeitig steigende Schulabbrecherquoten, stagnierende oder sinkende Kompetenzwerte in Kernfächern und fortbestehende regionale sowie soziale Disparitäten Sorgen.
Zudem haben Migration und Integration das Schulsystem nachhaltig geprägt, und die COVID-19-Pandemie hat Schwachstellen – von der digitalen Ausstattung bis zur Bildungsgerechtigkeit – deutlich offengelegt.
Im Folgenden werden zentrale Entwicklungen der vergangenen Jahre faktenbasiert beleuchtet.
Schulabbrecherquoten: Ziel verfehlt und wieder im Anstieg
Die Quote der Schulabgänger*innen ohne jeden Abschluss ist seit Mitte der 2010er-Jahre wieder angestiegen. Anfang der 2000er lag sie bundesweit bei fast 10 %; durch bildungspolitische Anstrengungen sank sie bis 2013 auf gut 5 %.
Dieses positive Zwischenziel reichte jedoch nicht an das auf dem Bildungsgipfel 2008 formulierte Versprechen heran, die Quote bis 2015 auf 4 % zu halbieren – Bund und Länder verfehlten dieses Ziel deutlich. Seit dem Tiefstand 2013/2015 (ca. 5–6 %) steigt die Schulabbrecherquote nahezu durchgängig wieder an. Im Jahr 2022 hatten rund 7 % eines Altersjahrgangs keinen Schulabschluss – das entspricht etwa 52.000 jungen Menschen.
Aktuelle Daten zeigen für 2023 einen weiteren Anstieg auf 7,2 % bundesweit.
Auffällig sind dabei starke Unterschiede zwischen den Bundesländern. Länder wie Bayern und Hessen verzeichnen mit rund 5,3 % bzw. 5,9 % die niedrigsten Abbrecherquoten. Ebenfalls vergleichsweise niedrig liegen Baden-Württemberg und Hamburg (je ca. 6,4 %).
Demgegenüber gibt es vor allem in strukturell benachteiligten Regionen und Stadtstaaten deutlich höhere Werte: In einigen Ländern liegt der Anteil der Jugendlichen ohne Abschluss im zweistelligen Prozentbereich, also mehr als doppelt so hoch wie in Bayern. Insgesamt hat sich der Bundesschnitt seit 2015 von deutlich unter 6 % auf über 7 % verschlechtert – eine Entwicklung, die Bildungsexperten alarmiert.
Zum Vergleich:
Beim Dresdner Bildungsgipfel 2008 hatte man sich noch vorgenommen, bis 2015 maximal 4 % zu erreichen. Obwohl die heutigen Werte immer noch unter denen der frühen 2000er liegen, gilt der erneute Anstieg als bildungspolitische Herausforderung.
Bildungsniveau im Wandel: PISA- und IQB-Studien zeigen Abwärtstrend
Parallel zu den Abbrecherzahlen sind auch die Kompetenzen der Schüler*innen seit 2015 unter Beobachtung – mit teilweise besorgniserregenden Befunden. Internationale Schulleistungsvergleiche wie PISA attestieren deutschen Jugendlichen im Durchschnitt ein sinkendes Leistungsniveau.
Lag Deutschland 2015 und 2018 in allen getesteten Bereichen noch über dem OECD-Durchschnitt, sind die 15-Jährigen 2022 nur noch Mittelmaß. In der PISA-Studie 2022 fielen die Ergebnisse in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften sogar auf den niedrigsten Stand seit Beginn der PISA-Erhebungen im Jahr 2000.
Konkret verschlechterte sich die durchschnittliche Punktzahl in Mathematik von 500 (2018) auf 475 Punkte (2022) – ein Rückgang um 25 Punkte, deutlich stärker als im OECD-Mittel. Auch im Lesen sank der Schnitt auf 480 Punkte, nachdem er 2018 noch knapp 500 betragen hatte. Bildungsforscher verweisen darauf, dass dieser Abwärtstrend schon vor der Corona-Pandemie begann, durch die Pandemie jedoch weiter verstärkt wurde.
Auch nationale Leistungsvergleiche zeigen negative Tendenzen.
Der IQB-Bildungstrend, der in regelmäßigen Abständen Kompetenzen in Deutsch und Mathematik überprüft, weist ebenfalls Leistungsrückgänge aus.
So ergab die IQB-Studie 2021 für Viertklässler einen deutlichen Kompetenzverlust im Vergleich zu 2016.
Bundesweit stieg der Anteil der Kinder, die am Ende der vierten Klasse die Mindeststandards nicht erreichen, zwischen 2016 und 2021 in Lesen um 6 Prozentpunkte und in Mathematik ebenfalls um 6 Punkte. In Rechtschreibung (Orthografie) und Zuhörverständnis fiel der Anstieg mit +8 Punkten noch gravierender aus.
Bildungsforscher beziffern den Kompetenzrückgang auf umgerechnet rund ein Drittel Schuljahr Lernzeit in der Lesekompetenz und etwas mehr als ein Viertel Schuljahr in Mathematik – ein erheblicher Verlust innerhalb von fünf Jahren.
Besonders drastisch waren die Einbußen in einigen Ländern wie Brandenburg, wo sich der Anteil der leistungsschwachen Viertklässler in Mathe um über 14 Prozentpunkte vergrößerte. Positiv sticht hingegen Hamburg hervor: Der Stadtstaat, der 2011 noch zu den Schlusslichtern gehörte, konnte seine Ergebnisse kontinuierlich verbessern und liegt heute im Ländervergleich weit vorn.
Leistungen in Deutsch und Mathematik: Viele Schüler unter Mindestniveau
Die Kernfächer Deutsch (bzw. Lesekompetenz) und Mathematik stehen im Zentrum vieler Bildungsstudien – und die Ergebnisse geben Anlass zur Sorge. Laut PISA 2022 verfehlt inzwischen ein Viertel der 15-Jährigen in Deutschland das grundlegende Leseverständnis.
Konkret erreichen 25 % nicht das Mindestniveau in der Lesekompetenz (2018 waren es rund 20 %). Diese Jugendlichen können selbst den Kerngedanken eines mittellangen Textes nicht sicher erfassen. Auch die Mathematik-Leistungen haben sich verschlechtert: 30 % der 15-Jährigen scheitern an Aufgaben der unteren Kompetenzstufe II – 2018 lag dieser Anteil noch bei 21 %. Damit verfügt fast ein Drittel der Jugendlichen nicht über die grundlegenden mathematischen Fertigkeiten, die für Alltag und Berufsausbildung nötig wären.
Besonders gravierend ist die Lage an den nicht-gymnasialen Schularten: Hier schafften 2022 rund 42 % der Schüler*innen nicht das PISA-Mindestniveau in Mathematik, während es an Gymnasien 4 % waren (zum Vergleich: 2012 lagen diese Werte bei 25 % bzw. unter 1 %).
Ähnliches gilt für die Lesekompetenz, wo die schwächsten 25 % deutlich hinter den Anforderungen zurückbleiben. Bildungsexperten sprechen in diesem Zusammenhang von “Risikoschülern”, denen es an grundlegenden Kulturtechniken fehlt – ihr Anteil ist laut PISA seit 2018 in Mathematik um mehr als ein Drittel und beim Lesen um ein Viertel gewachsen.
Auch bei Deutsch als Schulfach zeigen nationale Tests alarmierende Befunde, insbesondere im Bereich Rechtschreibung. Beim IQB-Bildungstrend 2021 verfehlten 30,4 % der Viertklässler die Mindeststandards in Orthografie.
Mit anderen Worten kann fast ein Drittel der Grundschüler am Ende der vierten Klasse nicht ausreichend korrekt schreiben. Nur 44 % erreichten die Regelstandards. Große Schwächen offenbaren sich auch beim Grundrechenwissen: In Mathematik lagen bundesweit 22 % der Viertklässler unter dem Mindeststandard.
Besonders betroffen sind Großstädte und strukturschwache Regionen: So scheiterten in Bremen rund 35,6 % der Kinder an den Mathe-Mindestanforderungen, in Berlin 34,5 % – während im bildungsstarken Bayern lediglich 13,2 % der Kinder so gravierende Matheschwächen zeigten. Insgesamt bestätigt sich ein Muster: Ein beträchtlicher Teil der Schüler*innen verlässt die Schule ohne hinreichende Fähigkeiten in Lesen, Schreiben und Rechnen, was ihre weiteren Bildungs- und Berufschancen stark beeinträchtigt.
Unterschiede zwischen den Bundesländern: Bildungsföderalismus unter der Lupe
Deutschland ist ein föderales Land mit 16 Bildungssystemen – und das spiegelt sich in teils erheblichen Leistungsunterschieden wider. Bei praktisch allen Indikatoren (Abschlussquoten, Vergleichstests, Bildungsstudien) zeigen sich regionale Gefälle.
Traditionell schneiden die südlichen Bundesländer Bayern und Sachsen sowie auch Thüringen und Baden-Württemberg in vielen Leistungsstudien am besten ab, während Stadtstaaten wie Bremen und Berlin sowie einige ostdeutsche Flächenländer häufiger am unteren Ende rangieren. Diese Rangfolge bestätigt sich zum Beispiel im IQB-Ländervergleich: In Sachsen verfehlten 2021 nur 10 % der Viertklässler die Mindeststandards im Lesen, in Bremen dagegen fast 27 %.
In Mathematik klafft die Schere ähnlich weit auseinander (Bremen 36 % vs. Bayern 13 % leistungsschwach). Solche Differenzen hängen sowohl mit sozialen Faktoren (z. B. unterschiedliches Elternhaus-Milieu in Stadt und Land) als auch mit Bildungspolitik und Schulpraxis vor Ort zusammen.
Dennoch sind die Länderunterschiede kein starres Nord-Süd- oder Ost-West-Gefälle. So hat Hamburg in den letzten 15 Jahren einen bemerkenswerten Aufholprozess durchlaufen. Galt die Hansestadt 2011 noch – gemeinsam mit Berlin und Bremen – als Schlusslicht, so hat Hamburg durch konsequente Schulentwicklungs- und Fördermaßnahmen sein Leistungsniveau deutlich gesteigert. Heute rangiert es in Vergleichsstudien im vorderen Mittelfeld oder sogar an der Spitze einzelner Kategorien.
Die Bildungsforscher des IQB führen dies u. a. auf eine datengestützte Unterrichtsentwicklung und langjährige Qualitätsprogramme zurück. Bremen hingegen verbleibt trotz leichter Verbesserungen weiterhin auf dem letzten Platz im Ländervergleich. In einigen Bereichen zeigen auch ostdeutsche Länder wie Sachsen oder Brandenburg respektable Ergebnisse (Sachsen liegt z. B. in Mathematik und Naturwissenschaften oft vorn).
Allerdings haben gerade Brandenburg und Berlin zuletzt deutliche Einbußen erlitten, was etwa der IQB-Bericht 2021 als “dramatischen Rückgang” der Grundschul-Kompetenzen in diesen Ländern bezeichnet. Insgesamt bleibt die “Bildungsrepublik Deutschland” in viele lokale Teilrepubliken zergliedert – der Wohnort entscheidet weiterhin mit über Bildungschancen. Dies wirft die Frage nach gleichwertigen Lebensverhältnissen und bundeseinheitlichen Mindeststandards auf, die von der Kultusministerkonferenz (KMK) seit Jahren diskutiert wird.
Migration und Integration: Herausforderungen und Fortschritte im Schulsystem
Die starke Zuwanderung seit 2015 – insbesondere durch die Fluchtmigration aus Kriegs- und Krisengebieten – hat die Schülerinnenschaft in Deutschland spürbar verändert. Heute hat ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Laut Integrationsbericht der Bundesregierung waren 2022 rund 37,6 % der Schülerinnen in Deutschland Migrantenkinder oder hatten mindestens ein im Ausland geborenes Elternteil (2005 lag dieser Anteil erst bei 27 %).
In einigen Ballungsräumen und Bundesländern (etwa Berlin, Bremen oder Hessen) ist inzwischen sogar etwa die Hälfte der Schülerschaft von Zuwanderung geprägt. Diese Entwicklung bringt Chancen wie Vielfalt und Mehrsprachigkeit, aber auch Herausforderungen mit sich – vor allem beim Erlernen der Unterrichtssprache Deutsch.
So wächst die Zahl der Kinder, die erst im Kindergarten oder in der Grundschule Deutsch lernen: Jedes fünfte Kind im Alter von drei bis sechs Jahren spricht zuhause kein Deutsch, in Stadtstaaten wie Berlin oder Bremen sogar jedes dritte.
Doch gerade diese Kinder besuchen seltener eine Kita als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund (nur 81 % statt über 90 %), oft mangels Platzangebot. Versäumte frühe Sprachförderung kann zu Startnachteilen in der Schule führen.
Die Integration der neu zugewanderten Schüler*innen wurde seit 2015 zu einer Kraftanstrengung für Schulen und Behörden. Zwischen 2015 und Anfang 2018 traten schätzungsweise 130.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche neu ins deutsche Schulsystem ein – Tendenz in den Folgejahren weiter steigend (inklusive weiterer Fluchtbewegungen, etwa aus der Ukraine 2022).
Viele Bundesländer richteten sogenannte Willkommens- oder Vorbereitungsklassen ein, um nicht deutschsprachige Kinder zunächst separat zu unterrichten und sprachlich fit für reguläre Klassen zu machen.
Diese Praxis wird unterschiedlich bewertet: Studien zeigten, dass langfristig bessere Erfolge erzielt werden, wenn geflüchtete Kinder möglichst schnell in Regelklassen integriert und parallel in Deutsch gefördert werden. Die Schulen standen zudem vor organisatorischen Aufgaben – von der Bereitstellung zusätzlicher Sprachlehrkräfte bis zur sozialen Betreuung traumatisierter junger Flüchtlinge.
Wie wirken sich Migration und Integration nun auf Bildungskennziffern aus? Zum einen zeigt sich ein Leistungs- und Chancenunterschied zwischen Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund.
Im PISA-Test besteht beispielsweise in der Lesekompetenz ein beträchtlicher Abstand: 15-Jährige aus Einwandererfamilien lagen 2018 im Schnitt 63 Punkte hinter Gleichaltrigen ohne Migrationsbezug (nach OECD-Maßstab entspricht das etwa anderthalb Schuljahren Rückstand).
Selbst wenn man Unterschiede im Sozialstatus berücksichtigt, bleibt immer noch eine Lücke von 17 Punkten. Besonders schwierig ist die Lage der ersten Generation – also Jugendlicher, die nicht in Deutschland geboren sind: Die Hälfte von ihnen erreicht laut PISA-Studie nur eingeschränkte Lesefähigkeiten. Erfreulicherweise zeigt sich bei der zweiten Generation (in Deutschland geborene Kinder zugewanderter Eltern) ein positiver Trend: Hier haben sich die Leistungen seit 2009 etwas verbessert, was auf erfolgreiche Integrationsbemühungen und Sprachförderung hindeutet.
Zum anderen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional bei den Schulabbrechern vertreten. Gab es 2013 noch keine Differenz zwischen den Abbruchquoten von Jugendlichen mit und ohne ausländische Wurzeln, hat sich dies mittlerweile drastisch geändert. Einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zufolge hatten 2022 unter 25-jährigen Deutschen ohne Migrationshintergrund nur etwa 2–3 % keinen Schulabschluss, bei Gleichaltrigen mit Migrationshintergrund hingegen 10–12 %.
Ähnlich verhält es sich bei der späteren Ausbildung: Von den 20- bis 34-jährigen Erwachsenen ohne eigenen Abschluss stammen anteilig deutlich mehr aus der Gruppe mit Zuwanderungsgeschichte. Bildungsexperten führen diese Kluft u. a. auf Sprachdefizite, soziale Benachteiligung und teilweise auch Diskriminierung zurück.
Sie kritisieren seit Jahren, dass der Bildungserfolg in Deutschland “immer noch von der sozialen Herkunft abhängig” ist – Migration überschneidet sich hier oft mit sozialer Lage. Kinder aus Akademiker- und Einwandererfamilien haben statistisch sehr unterschiedliche Bildungslaufbahnen, auch wenn erfreulicherweise immer mehr Migrantenkinder höhere Abschlüsse erreichen.
Als Gegenmaßnahmen gelten vor allem frühzeitige und intensive Sprachförderung, mehr Sozialarbeit an Schulen in Brennpunktlagen und die bessere Einbindung der Eltern. Einige Länder verzeichnen auf diesem Feld positive Entwicklungen: So hebt etwa Hessen hervor, dass es trotz der höchsten Ausländerquote bundesweit eine der niedrigsten Abbrecherquoten hat, was man auf umfassende Sprachförderprogramme (verpflichtende Vorschulkurse, zusätzliche Deutschstunden in Grundschulen) zurückführt. Integration bleibt jedoch eine Daueraufgabe für das Schulsystem – insbesondere angesichts neuer Flüchtlingszuwanderung – und erfordert kontinuierliche Ressourcen.
Digitalisierung im Bildungswesen: Langsamer Aufbruch ins 21. Jahrhundert
Die digitale Ausstattung und Nutzung in deutschen Schulen hat seit 2015 zwar Fortschritte gemacht, doch im internationalen Vergleich galt Deutschland lange als Nachzügler. Erst Mitte der 2010er-Jahre wurde der Ruf nach einem Digitalisierungsschub in der Bildung lauter – unterstrichen durch Studien wie ICILS, die 2018 zwar Verbesserungen gegenüber 2013 feststellte, aber weiterhin großen Nachholbedarf bei Infrastruktur und Kompetenzen konstatierte.
Ein wichtiger Meilenstein war schließlich der „DigitalPakt Schule“, den Bund und Länder 2019 auf den Weg brachten. Erstmals stellte der Bund dabei nennenswerte Mittel für die Schulinfrastruktur bereit, obwohl Bildung Ländersache ist. Insgesamt wurden zunächst 5 Milliarden Euro Bundesmittel zugesagt, die von den Ländern ergänzt werden mussten. Durch Zusatzvereinbarungen während der Corona-Pandemie (etwa für Leih-Laptops und die IT-Administration) wuchs das Fördervolumen des DigitalPakts I auf 6,5 Mrd. Euro Bundesmittel, was mit Landesanteilen einer Gesamtsumme von rund 7,15 Mrd. Euro entspricht.
Dieses Geld floss und fließt in die Verkabelung von Schulen, WLAN-Netzwerke, digitale Tafeln (Smartboards), Lehr-Laptops, Tablets für Schüler*innen und Lernplattformen. In praktisch allen Schulen hat sich die Technik-Ausstattung seither deutlich verbessert. Viele Klassenzimmer wurden mit Beamern oder interaktiven Whiteboards nachgerüstet, Computer- und Tablet-Klassen eingerichtet und Schul-Clouds eingeführt.
Trotzdem kam die Digitalisierung zunächst nur schleppend voran. Bürokratische Hürden bei der Antragstellung, eine Überforderung mancher Schulträger und Lieferengpässe führten dazu, dass bis 2020 erst ein Bruchteil der Mittel abgerufen war.
Ein Weckruf kam durch die Corona-Pandemie: Von einem Tag auf den anderen mussten Schulen im Frühjahr 2020 auf Distanzunterricht umstellen – und offenbarten eklatante technische Defizite.
Viele Schüler*innen, besonders aus sozial schwachen Familien, verfügten zu Hause weder über geeignete Endgeräte noch über eine stabile Internetverbindung. Lehrkräfte wiederum hatten teils keine Dienst-Laptops oder wenig Erfahrung mit digitalen Unterrichtsmethoden. Dieser Notstand führte zu umgehenden Zusatzinvestitionen: Der Bund finanzierte im Rahmen eines „Sofortausstattungsprogramms“ 500 Mio. Euro für Leihgeräte an bedürftige Schüler sowie weitere 500 Mio. für Lehrer-Laptops.
In der Folge wurden hunderttausende Tablets und Notebooks beschafft und verliehen. Auch die Länder legten Programme für digitale Lerninhalte und Fortbildungen auf. Bis 2023 ist das Tempo beim Mittelabfluss des DigitalPakts gestiegen; ein Großteil der Milliarden wurde inzwischen verplant oder ausgegeben, und Bund und Länder planen bereits einen DigitalPakt 2.0 ab 2025, um die begonnene Modernisierung fortzusetzen.
Dennoch fühlen sich viele Schulen noch nicht ausreichend gerüstet. Einer Umfrage des Deutschen Schulbarometers (2023) zufolge sehen 50 % der Lehrerinnen weiterhin einen großen Verbesserungsbedarf bei der technischen Ausstattung ihrer Schule. In sozial benachteiligten Schulumfeldern klagen sogar 61 % der Lehrkräfte über erhebliche Ausstattungsdefizite – digitale Ungleichheit droht also die soziale Schere weiter zu öffnen. Auch mangelt es mancherorts an IT-Administratoren, die die Wartung der Geräte und Netze übernehmen. Positiv ist, dass sich die Internetanbindung der Schulen seit 2020 spürbar verbessert hat und digitale Lehrplattformen mittlerweile verbreitet im Einsatz sind. Zudem stieg die digitale Kompetenz des Kollegiums: Zwei Drittel der Lehrkräfte schätzen sich laut Schulbarometer als fähig ein, digitale Medien im Unterricht didaktisch sinnvoll einzusetzen.
Allerdings fühlen sich nur gut 50 % dafür auch ausreichend vorbereitet – es besteht also weiterhin großer Fortbildungsbedarf. Ein weiteres Problemfeld ist die digitale Kompetenz der Schülerinnen selbst. Die jüngste ICILS-Studie 2023 ergab, dass rund 40 % der deutschen Achtklässler keine ausreichenden computergestützten Informations- und Problemlösefähigkeiten haben – ein deutlicher Rückschritt gegenüber 2018. Insgesamt hat die Pandemie zwar einen Digitalisierungs-Schub ausgelöst („Corona als Brennglas“), doch es bleibt viel zu tun, um Deutschlands Schulen fit für das digitale Zeitalter zu machen.
Die Politik reagierte mit zusätzlichen Förderprogrammen und der Planung einer zweiten Digitalpakt-Runde – jedoch fordern Verbände wie die GEW auch nachhaltige Konzepte: Technik alleine genüge nicht, ebenso wichtig seien medienpädagogische Konzepte und eine Verankerung digitaler Bildung in Curricula und Lehrerausbildung.
Corona-Pandemie: Folgen für Lernen, Ungleichheit und Lernrückstände
Die COVID-19-Pandemie ab 2020 traf das Bildungssystem unvorbereitet und hat bis heute nachwirkende Folgen. Im Frühjahr 2020 sowie erneut im Winter 2020/21 blieben Schulen wochen- bis monatelang geschlossen; Unterricht fand im Notbetrieb als Distanzlernen statt – mit teils unzureichenden Bedingungen. Viele Schüler*innen mussten von zuhause aus lernen, oft ohne direkten Kontakt zu Lehrkräften und mit stark variierender Unterstützung.
Studien zeigen übereinstimmend, dass dieser Ausfall des Präsenzunterrichts nicht vollständig kompensiert werden konnte und teils erhebliche Lernrückstände entstanden sind. Eine internationale Metaanalyse von 42 Studien beziffert das weltweite Lerndefizit auf rund 35 % eines Schuljahres im Durchschnitt. Besonders groß waren die Rückstände in Mathematik, während sie in den Sprachfächern etwas geringer ausfielen.
Bildungsexperten erklären das damit, dass Eltern beim Lesen und Schreiben eher helfen konnten als etwa in Mathematik. Gleichwohl haben auch in Deutsch grundlegende Fähigkeiten gelitten – eine nationale Studie (IGLU 2021) fand z. B., dass die Lesefähigkeit der Viertklässler während der Pandemie deutlich nachgelassen hat, mit deutlich mehr Kindern unter dem international definierten Mindestniveau als zuvor.
Die Pandemie hat zudem bereits bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt. Lernrückstände traten nicht bei allen Schülergruppen gleichermaßen auf: Kinder aus sozial benachteiligten oder bildungsfernen Familien sowie solche mit Migrationshintergrund waren im Durchschnitt deutlich stärker betroffen. Sie hatten oft weder die technische Ausstattung noch die familiäre Unterstützung, um dem Homeschooling effektiv zu folgen.
Demgegenüber kamen Kinder aus bildungsnahen Haushalten tendenziell besser durch die Schulschließungen – hier konnten Eltern eher einspringen, und die Wohnsituation bot eher ruhige Lernbedingungen.
Auch Alter und Schulform spielten eine Rolle: Jüngere Schüler*innen (Grundschule) litten stärker unter den Einschränkungen als Ältere, da selbstorganisiertes Lernen ihnen schwerer fällt und Grundlagenunterricht (etwa Lesenlernen) kaum digital zu ersetzen war.
Die Folge dieser Entwicklung ist ein weiter aufgegangenes Leistungsgefälle. So kritisiert die Lehrergewerkschaft GEW, dass durch Unterrichtsausfälle, Personalmangel und fehlende Unterstützungssysteme gerade die Schwächsten noch weiter abgehängt wurden – wer kein gutes Lernumfeld zu Hause habe, sei „klar im Vorteil“ gewesen, alle anderen hätten deutlich verloren. Dies habe die ohnehin bestehende Chancenungleichheit im deutschen Schulsystem nochmals verschärft.
Neben fachlichen Defiziten werden auch psychosoziale Folgen sichtbar: Viele Kinder litten unter Isolation, emotionalem Stress und fehlenden sozialen Kontakten in der Lockdown-Zeit. Nach Wiederöffnung der Schulen traten vermehrt Konzentrationsprobleme, Motivationsverlust und auch Verhaltensauffälligkeiten zutage, vor allem bei solchen, die ohnehin Unterstützung gebraucht hätten. Studien berichten von gestiegenen Angst- und Depressionswerten bei Jugendlichen infolge der Pandemie. Diese Themen sprengen zwar den Rahmen dieses Bildungsartikels, gehören aber zum Gesamtbild der Corona-Folgen.
Um der Lernkrise entgegenzuwirken, starteten Bund und Länder im Sommer 2021 das Aktionsprogramm “Aufholen nach Corona”.
Dieses Förderprogramm hatte ein Volumen von 2 Mrd. Euro, hälftig finanziert vom Bund, und verteilte sich auf vier Säulen: Die erste Milliarde diente direkt dem Abbau pandemiebedingter Lernrückstände – etwa durch Förderkurse, Nachhilfeprogramme, Sommerschulen und zusätzliche Förderstunden in Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen.
Die zweite Milliarde floss in soziale Projekte, Schulsozialarbeit, Freizeitangebote und psychologische Unterstützung, um die psychischen Krisenfolgen abzufedern. Bis Mitte 2022 erreichten Maßnahmen des Aufholprogramms Schätzungen zufolge mehrere Millionen Schülerinnen (z.B. durch Ferienkurse oder Nachhilfe).
Dennoch ist die Aufarbeitung der Lernlücken noch längst nicht abgeschlossen. Bildungsministerien einiger Länder forderten eine Verlängerung und Aufstockung des Programms – sie verwiesen darauf, dass sich die Auswirkungen der langen Schulschließungen nicht in zwei Jahren ausgleichen ließen.
In der Tat deuten die Bildungstrend-Daten (PISA 2022, IQB 2021) darauf hin, dass trotz mancher Aufholmaßnahmen viele Kompetenzlücken bestehen blieben. Deutschland liegt mit seinen pro-Kopf-Ausgaben für das Lernen nach Corona im europäischen Vergleich eher im unteren Mittelfeld. So investierten Länder wie die Niederlande oder Spanien deutlich mehr pro Schülerin, um Lernrückstände aufzuholen.
Zusammenfassend hat die Corona-Pandemie wie ein Brennglas die Schwachstellen im deutschen Bildungswesen aufgezeigt – aber auch den politischen Willen gestärkt, gegenzusteuern. Es hat einen Modernisierungsschub bei der Digitalisierung gegeben und neuen Fokus auf Förderung benachteiligter Schüler.
Gleichwohl werden uns die pandemiebedingten Lernrückstände und verstärkten Disparitäten noch einige Jahre beschäftigen. Bildungsexpertinnen mahnen nachhaltige Strategien an, um künftig besser gewappnet zu sein: Etwa ein digitales Lernangebot, das auch im Krisenfall funktioniert, flächendeckende Lernstandserhebungen, um Defizite früh zu erkennen, und vor allem Investitionen in Personal – mehr Lehrkräfte, Förderpädagoginnen und Sozialarbeiter, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden. Nur so lässt sich verhindern, dass eine Generation von “Corona-Kindern” dauerhafte Bildungsnachteile erleidet.
Die Entwicklungen der Schulbildung in Deutschland seit 2015 zeichnen ein durchwachsenes Bild. Einerseits gibt es Fortschritte: höhere Bildungsbeteiligung bis hin zur Hochschulreife, gelungene Integrationsbeispiele, mehr digitale Infrastruktur.
Andererseits sind problematische Trends unübersehbar: Die Schulabbrecherquote ist wieder auf über 7 % gestiegen, und ein signifikanter Teil der Jugendlichen verlässt die Schule ohne solide Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen. Regionale Unterschiede bleiben groß, der Bildungserfolg hängt nach wie vor stark von Herkunft und Wohnort ab.
Die Pandemie hat diese Schieflagen teilweise verschärft, aber auch als Katalysator für Veränderungen gewirkt.
Für die Bildungspolitik bedeutet dies, dass die Ziele der Bildungsrepublik – niemanden zurückzulassen und allen Kindern faire Chancen zu bieten – noch längst nicht erreicht sind. Aktuelle Initiativen wie das Startchancen-Programm (zur Förderung von Schulen in benachteiligten Lagen) und der geplante DigitalPakt 2.0 sollen hier Abhilfe schaffen.
Ob sie ausreichen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen. Klar ist: Objektive, aktuelle Daten – von der Statistiken des Bundes und der KMK bis zu PISA, IQB & Co. – sind unverzichtbare Gradmesser für Erfolge oder Fehlentwicklungen. Sie zeigen uns, wo Handlungsbedarf besteht. Die Zeit seit 2015 lehrt, dass Bildung eine Dauerbaustelle ist, auf der Beharrlichkeit und evidenzbasierte Konzepte gefragt sind.
Nur mit langfristigem Engagement kann es gelingen, das deutsche Schulwesen zukunftsfähig aufzustellen und gleichzeitig mehr Chancengerechtigkeit herzustellen – damit sich positive Trends verstetigen und alarmierende gegensteuern lassen, zum Wohle der kommenden Generationen.

