Sondervermögen vor dem Missbrauch?
Sondervermögen – Der Preis des Kompromisses – Auf Kosten der Zukunft
Mit der Aufweichung der Regeln zur Verwendung des Sondervermögens hat die Bundesregierung einen folgenreichen Schritt getan.
Um die Länder für das geplante Steuerentlastungspaket ins Boot zu holen, hat der Bund finanzielle Zugeständnisse gemacht – nicht nur in Form direkter Hilfen, sondern auch durch eine Lockerung der Bedingungen für den Einsatz des Sondervermögens.
Eine zentrale Schutzklausel fällt: die sogenannte Zusätzlichkeitsregel.
100 Milliarden ohne Sicherheitsnetz
Diese Regel sah ursprünglich vor, dass Mittel aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen ausschließlich für zusätzliche Investitionen verwendet werden dürfen – also über das hinaus, was ohnehin geplant war.
Ziel war es, gezielt wachstumsfördernde Maßnahmen zu fördern und nicht bestehende Haushaltslöcher zu stopfen.
Nun wird dieses Prinzip aufgegeben. Die Länder erhalten freie Hand. Das Geld kann künftig auch dort eingesetzt werden, wo es lediglich den Status quo erhält.
Schattenhaushalt statt Wachstumsimpuls
Was wie ein pragmatischer Kompromiss erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als klassischer Fehlanreiz.
Kritiker hatten bereits bei der Verabschiedung der Grundgesetzänderung, die das Sondervermögen ermöglichte, gewarnt:
Ohne klare Zweckbindung droht das Geld zur bloßen Umschichtung in ohnehin überlastete Sozialetats zu verkommen.
Diese Sorge scheint sich nun zu bewahrheiten.
Der Anstieg der Ausgaben für Eingliederungshilfen, Wohnkosten für Bürgergeldempfänger und Integrationsmaßnahmen belastet die Länderhaushalte massiv. Statt jedoch Strukturreformen anzustoßen oder Prioritäten neu zu setzen, wird das Sondervermögen nun als finanzieller Puffer genutzt.
Gefährliche Signalwirkung für die Haushaltspolitik
Das Resultat ist fatal: Die ursprüngliche Idee – zusätzliche Investitionen für eine wachstumsstarke, zukunftsfähige Infrastruktur – wird konterkariert. Vielmehr stabilisieren die Milliarden lediglich das bestehende Ausgabenniveau.
Der Effekt: mehr Schulden, aber kein messbarer Fortschritt. Das Sondervermögen droht, zum Schattenhaushalt für laufende Kosten zu verkommen.
Reformverweigerung statt Reformdruck
Würde die Zusätzlichkeit weiterhin gelten, müssten Länder und Kommunen sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre Sozialausgaben begrenzen und nachhaltiger wirtschaften. Der politische Druck, Leistungsgesetze anzupassen und Anreizsysteme zu überdenken, wäre enorm.
Doch genau dieser Druck wird mit dem aktuellen Kompromiss abgebaut. Die Bereitschaft zur Reform sinkt – mit gravierenden Folgen für die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaats.
Ein Schritt zurück für Generationengerechtigkeit
Für kommende Generationen bedeutet die Entscheidung: Schulden ohne Substanz. Keine neuen Schulgebäude, keine modernen Verkehrssysteme, keine nachhaltige Digitalisierung der Verwaltung – sondern ein zementierter Status quo. Das Versprechen, mit dem Sondervermögen einen kraftvollen Investitionsschub auszulösen, verkommt zur Leerformel.
Appell an den Bundestag: Es ist noch nicht zu spät
Noch ist eine Kurskorrektur möglich.
Der Bundestag sollte sich dem Trend zur Zweckentfremdung widersetzen und die Zusätzlichkeit der Mittel als bindendes Prinzip wieder verankern – auch auf Ebene der Länder und Kommunen.
Nur dann kann das Sondervermögen seiner ursprünglichen Bestimmung gerecht werden: Zukunft gestalten statt Vergangenheit verwalten.
Die falsche Lehre aus der Krise
Der Kompromiss mit den Ländern mag kurzfristig politisch nützlich sein – langfristig ist er ein teures Signal der Selbstzufriedenheit. Anstatt aus der Erfahrung der vergangenen Krisen die Notwendigkeit struktureller Reformen abzuleiten, wird ein Schattenhaushalt institutionalisiert.
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack: Wer Zukunft finanzieren will, darf die Gegenwart nicht ewig subventionieren.

