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Verkehrswüste Berlin

27. Juni 2025 / Zukunft2

Warum ein Handwerker bald mehr läuft als arbeitet

„Früher habe ich gebohrt. Heute suche ich Parkplätze.“

So nüchtern bringt es ein Berliner Handwerker auf den Punkt.

Und nüchtern ist auch seine Aufstellung:

Seit 1990 dokumentiert er präzise seine Wegezeiten und Wegelängen – auf den Meter genau.

Was dabei herauskommt, ist kein Stadtentwicklungsbericht der Senatsverwaltung, sondern ein dokumentierter Offenbarungseid der Berliner Infrastrukturpolitik.

📉 Der tägliche Kampf um Meter

Im Jahr 1990 legte er im Schnitt 50 Meter Laufweg vom Auto zur Baustelle zurück.

Heute sind es 425 Meter – eine Steigerung von 750 %. Seine Wegezeit hat sich im gleichen Zeitraum von 4 % auf 28 % der gesamten Arbeitszeit erhöht.

Anders gesagt: Jeder vierte Arbeitstag dient inzwischen dem Parcourslauf durch die autogerechte Umweltvermeidung.

Ursache? Keine Expansion seines Geschäftsgebiets. Kein Boom. Kein Effizienzproblem.

Sondern: Parkplatzmangel. Verkehrslenkung. Umweltzonen. Einbahnstraßen. Lieferzeitbeschränkungen.

Kurz: Eine Stadt, die ihre Dienstleister als Fremdkörper behandelt.

🚧 Politik mit Einbahnstraße

Berlin hat ein Ziel: emissionsfrei, autofrei, konfliktfrei. Dass Handwerker dabei faktisch ausgebremst werden, scheint Kollateralschaden zu sein.

Oder Kalkül? Schließlich parkt das E-Lastenrad emissionsfrei auf dem Bürgersteig – auch wenn es keine Schlagbohrmaschine transportieren kann.

Für Handwerker wie ihn bedeutet das:

Mehr Fahrerei, mehr Lauferei, mehr Frust – weniger Zeit für den eigentlichen Job. Die Folge? Aufträge werden teurer. Wartezeiten länger.

Der Fachkräftemangel bekommt Gesellschaft vom Wegeinfrastrukturmangel.

🏗️ Berlin baut sich selbst im Weg

Der Berliner Stadtraum wird umgestaltet – von innen heraus, gegen sich selbst.

Wer in dieser Stadt etwas reparieren, bauen oder warten will, braucht heute mehr Zeit für die Anfahrt als für die Arbeit.

Das ist keine Anekdote, sondern dokumentierte Realität. Und wenn diese Realität ignoriert wird, bekommt Berlin nicht mehr Handwerker – sondern weniger.

Oder sie kommen nur noch mit Zeitaufschlag und Laufbonus.

🔍 Die stille Statistik der Straße

Was dieser Handwerker leistet, ist mehr als Buchführung.

Es ist eine Mikrochronik des städtischen Scheiterns. Seine Zahlen sind keine Erfindung der IHK, keine lobbygetriebene Simulation. Es sind echte, gemessene Daten aus einem echten Berliner Kiez.

Und sie sprechen eine klare Sprache: Der urbane Alltag wird für produktive Arbeit zunehmend unzumutbar

🧭 Was tun?

Zukunft2.com fragt nicht nur, woher das Problem kommt, sondern: Wohin führt es?

Wenn Infrastruktur nicht auf Lebensrealität, sondern auf Ideologie ausgerichtet wird, verlieren nicht nur die Betriebe, sondern auch die Bewohner. Eine lebenswerte Stadt braucht Handwerk – und eine Stadtpolitik, die das nicht behindert.

Wir sagen: Wer Wegezeiten erhöht, senkt Wertschöpfung. Wer Laufwege verlängert, verkürzt den Arbeitstag.

Und wer den Handwerker vertreibt, bekommt bald keine funktionierende Türklingel mehr.

Verkehrswüste Berlin

Verkehrswüste Berlin

Die Datei zeigt eine Tabelle mit der Entwicklung von Wegezeiten (in Prozent) und Wegelängen (in Metern) eines Handwerkers in Berlin über mehrere Jahrzehnte hinweg – von 1990 bis 2024.

Hier ist eine strukturierte Analyse:

📈 Entwicklung der Wegezeit (in %)

  • 1990–2000: Moderate Zunahme von 4 % auf 8 %
  • 2000–2010: Deutlich steilerer Anstieg von 8 % auf 16 %
  • 2010–2017: Weitere Zunahme auf 25 % (2017 sogar zweimal: 25 % und 26 %)
  • 2019–2020: 26 % auf 27 %
  • 2021: Auffälliger Rückgang auf 15 % → Ausreißer (pandemiebedingt)
  • 2023–2024: Wiederanstieg auf 27 % und 28 %

🚶‍♂️ Entwicklung der Wegelänge (in Metern)

  • 1990–2000: Stufenweise Zunahme von 50 m auf 80 m
  • 2000–2010: Anstieg auf 260 m
  • 2010–2020: Weitere Zunahme auf 410 m
  • 2021: Rückgang auf 380 m (ebenfalls Ausreißer)
  • 2024: Höchstwert mit 425 m

📊 Besondere Beobachtungen

  • Langfristiger Trend: Beide Werte steigen kontinuierlich über die Jahre – der Handwerker muss also immer weitere Strecken zurücklegen, was mehr Zeit beansprucht.
  • Datenlücke 2025–2029: Keine Angaben, eventuell Prognose geplant.
  • Pandemie-Effekt: Das Jahr 2021 fällt deutlich aus dem Muster – vermutlich durch Lockdowns, Homeoffice, weniger Termine.

Die Daten zeigen eine klare, langfristige Zunahme von Wegezeiten und -strecken.

Wegezeit Jahre - Berliner Handwerker

Wegezeit Jahre – Berliner Handwerker